Sachverhalt
Bei dem portugiesischen Vorabentscheidungsersuchen ging es um die umsatzsteuerliche Behandlung der Zahlung von Vertragsstrafen, die der Leistungsempfänger aufgrund der Nichteinhaltung einer vertraglich vereinbarten Mindestvertragslaufzeit an den leistenden Unternehmer zu zahlen hat.
Das vorlegende Gericht wollte wissen, ob eine solche Zahlung in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den vom leistenden Unternehmen vorher erbrachten steuerpflichtigen Leistungen steht und daher als Entgelt zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin ist eine Telekommunikationsgesellschaft, die elektronische Kommunikationsdienste, Festnetzdienste und Internetzugangsdienste anbietet. Ihre Kunden können u.a. Verträge mit Vereinbarung einer Mindestlaufzeit abschließen. In diesen Fällen verpflichten sich die Kunden, das Vertragsverhältnis mit der Klägerin für einen bestimmten Zeitraum aufrechtzuerhalten und die von ihr erbrachten Dienstleistungen für eine bestimmte Mindestlaufzeit zu nutzen. Im Gegenzug hierfür erhalten die Kunden günstigere Konditionen, insbesondere in Bezug auf den für die vereinbarten Dienstleistungen zu zahlenden Preis.
Bei Nichteinhaltung der Mindestlaufzeit ist der Kunde zur Zahlung bestimmter Beträge verpflichtet. Die Berechnung dieser Beträge ist bereits im Vertrag geregelt, wobei sich deren Höhe nach den gewährten Vergünstigungen und dem Verhältnis der tatsächlichen Laufzeit des Vertrages und der vereinbarten Mindestlaufzeit bemisst. Aufgrund gesetzlicher Vorgaben darf dieser Betrag die Kosten, die der Klägerin aufgrund ihrer Leistungen entstanden sind, nicht überschreiten und muss proportional zu dem dem Kunden verschafften und als solchem im Vertrag benannten und quantifizierten Vorteil sein.
Die portugiesische Finanzbehörde vertrat die Auffassung, dass die Zahlungen der Kunden im Falle der Nichteinhaltung der Mindestvertragslaufzeit im unmittelbaren Zusammenhang mit den durch die Klägerin vorher erbrachten steuerpflichtigen Leistungen stehen und deshalb als Entgelt zu berücksichtigen seien.
Demgegenüber war die Klägerin der Ansicht, dass die Zahlungen in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den von ihr an die entsprechenden Kunden erbrachten Leistungen stünden. Bei den Zahlungen handele es sich um eine Konventionalstrafe in Form eines pauschalierten Schadenersatzes, die ausschließlich der Wiedergutmachung der durch die vorzeitige Vertragskündigung eingetretenen Schäden diene.
Entscheidung
Der EuGH hat die verschiedenen Vorlagefragen zusammenfassend dahingehend interpretiert, dass fraglich ist, ob nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL Beträge, die ein Wirtschaftsteilnehmer erhält, falls ein Dienstleistungsvertrag, der als Gegenleistung für die Gewährung vorteilhafter Konditionen an einen Kunden die Einhaltung einer Mindestbindungsfrist vorsieht, aus bei diesem Kunden liegenden Gründen vorzeitig beendet wird, als steuerbares Leistungsentgelt anzusehen sind. Der EuGH hat diese Frage bejaht.
Entscheidend für den EuGH zur Annahme eines steuerbaren Leistungsentgelts war, dass die im Ausgangsverfahren streitigen Beträge nach einer vertraglich festgelegten Formel unter Beachtung der im nationalen Recht vorgesehenen Voraussetzungen berechnet wurden. Diese Beträge durften die Kosten, die dem Leistenden bei der Erbringung der Telekommunikationsdienstleistungen entstehen, nicht übersteigen und mussten in einem angemessenen Verhältnis zu dem dem Kunden gewährten Vorteil stehen. Somit entsprachen die Beträge weder automatisch dem Wert der Leistungen, die zum Zeitpunkt der Kündigung des Vertrags noch fällig waren, noch den Beträgen, die der Leistungserbringer während der restlichen Mindestbindungsfrist ohne eine solche Kündigung erhalten hätte.
Unter diesen Umständen bestand der Gegenwert des vom Kunden an die Klägerin entrichteten Betrags in dem Anspruch des Kunden auf Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Dienstleistungsvertrag, auch wenn der Kunde diesen Anspruch aus einem ihm zuzurechnenden Grund nicht wahrnehmen wollte oder konnte. Insoweit entsprach der vom Kunden gezahlte Betrag der Wiedererlangung eines Teils der mit der Erbringung der Telekommunikationsdienstleistungen verbundenen Kosten, zu deren Erstattung sich die Kunden für den Fall einer solchen Kündigung verpflichtet hatten.
Folglich sind diese Beträge als Teil des Preises der Dienstleistung anzusehen, zu deren Erbringung sich der Leistende gegenüber den Kunden verpflichtet hat und der zum Preis der Monatsraten hinzugerechnet wird, wenn die Mindestbindungsfrist von den Kunden nicht eingehalten wird. Unter diesen Umständen haben diese Beträge einen ähnlichen Zweck wie die Monatsraten, die grundsätzlich geschuldet worden wären, wenn die Kunden nicht vorteilhafte Konditionen erhalten hätten, die die Einhaltung der Mindestbindungsfrist voraussetzten. Für den Fall, in dem die Kunden die Mindestbindungsfrist nicht einhalten, ist nach dem Urteil die Dienstleistung als vollendet anzusehen, sobald die Kunden in der Lage sind, die Dienstleistung in Anspruch zu nehme...