rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Verzinsung einer Kindergeldnachzahlung. Familienleistungsausgleich
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat das Einspruchsverfahren wegen anhängiger Musterverfahren geruht und erhält der nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG Anspruchsberechtigte nach mehreren Jahren eine Kindergeldnachzahlung, so ist diese nicht zu verzinsen. Ein Zinsanspruch ergibt sich weder aus §§ 233 ff. AO noch aus einer analogen Anwendung von § 44 SGB I.
2. Dass Steuervergütungen wie das Kindergeld nicht vom Anwendungsbereich des § 233a AO erfasst werden, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Normenkette
AO § 233 S. 1, §§ 233a, 236; SGB I § 44; EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Im Verfahren ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Verzinsung ihrer Erstattung von Kindergeld hat.
Die Klägerin bezog für ihre am 7. November 1977 geborene Tochter A. das Kindergeld über die Beklagte. Die Tochter besuchte bis zum Jahr 1996 das Gymnasium in A., wo sie im Juni 1996 das Abitur ablegte. Vom 22. Juni 1996 bis zum 21. Juli 1997 verbrachte Sie einen Au-pair-Aufenthalt in den USA und belegte einen 22-Stunden-Kurs pro Woche an öffentlichen Schulen, um ihre Englischkenntnisse zu vervollständigen. Die Beklagte hob zunächst durch Bescheid vom 6. Juni 1996 die Kindergeldfestsetzung ab dem Monat Juli 1996 auf, weil zum damaligen Zeitpunkt Au-pair-Verhältnisse nicht als Berufsausbildung anerkannt wurden. Mit Schreiben vom 21. Juni 1996 legte die Klägerin Einspruch gegen den Bescheid ein. Eine Entscheidung über den Einspruch erging zunächst nicht. Im Juli 1997 wurde die Kindergeldzahlung an die Tochter der Klägerin wieder aufgenommen. Mit Schreiben vom 8. September 1999 bat die Klägerin um Überprüfung der Anspruchsberechtigung im Zeitraum von Juli 1996 bis Juni 1997 für ihre Tochter. Der Klägerin wurde ein Ruhen des Verfahrens vorgeschlagen, da noch gerichtliche Verfahren anhängig seien. Die Klägerin erklärte sich mit dem Ruhen einverstanden. Durch die Einspruchsentscheidung vom 4. Oktober 2001 wurde der Klägerin unter Abänderung des Bescheids vom 6. Juni 1996 Kindergeld für den Zeitraum vom 1. Juli 1996 bis zum 30. Juni 1997 bewilligt und am 15. November 2001 nachgezahlt. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2001 forderte die Klägerin, Verzugszinsen von 4 vom Hundert bzw. ab dem 1. Juni 2000 von 5 vom Hundert über dem Basiszinssatz. Mit Schreiben vom 26. Juli 2002 wurde der Anspruch der Klägerin abgelehnt.
Im Rahmen des Klageverfahrens verfolgt die Klägerin ihr Begehren nach erfolglosem Einspruch weiter.
Sie begründet ihre Klage wie folgt:
Die Klägerin sei im Land Thüringen im öffentlichen Dienst beschäftigt. Die Beklagte als Familienkasse sei zuständig für die Auszahlung des Kindergeldes.
Für die Tochter der Klägerin sei Kindergeld zu zahlen gewesen. Die Beklagte habe am 4. Oktober 2001 über den Einspruch entschieden und zu Gunsten der Klägerin eine Festsetzung getroffen. Danach seien ihr seit Juli 1996 bis Januar 1997 Zahlungen in Form von Kindergeld zu leisten. Für die Monate Juli 1996 bis Oktober 1996 seien es 128,66 DM Unterschiedsbetrag, ebenso für den Monat Dezember 1996. Für den Monat November seien es 220,22 DM Unterschiedsbetrag. Für die Monate Januar 1997 bis Juni 1997 seien es jeweils 130,33 DM Unterschiedsbetrag.
Die Beklagte habe hier als Familienkasse gehandelt. Die Klägerin begehre Zinsen auf den Unterschiedsbetrag in einer Gesamthöhe von 178,47 EUR. Die Zinsforderung ergebe sich aus dem gesetzlichen Zinssatz von 4 vom Hundert für die Zeitraum seit 1. Juli 1996 bis zur Auszahlung am 3. Mai 2002. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 26. Juli 2002 die Zinszahlung abgelehnt mit Hinweis auf die Regelung in der Abgabenordnung. Die Abgabenordnung sehe keinerlei Verzinsung dieser Form einer „Steuerart” vor.
Dem sei entgegenzutreten. Bei der Kindergeldzahlung handele es sich nicht um eine Steuer bzw. Steuerrückerstattung, sondern um eine Sozialleistung. Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch seien nach § 44 des Sozialgesetzbuches – SGB – I zu verzinsen. Das Sozialgesetzbuch nenne im zweiten Titel unter der Überschrift „Einzelne Sozialleistungen und zuständige Leistungsträger” auch das Kindergeld. Damit seien die gemeinsamen Vorschriften für alle Sozialleistungen anzuwenden und § 44 SGB I finde Anwendung. Daraus seien Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung 4 v. H. zu verzinsen.
Eine abweichende Behandlung erscheine nicht gerechtfertigt. Es habe allein in der Hand der Beklagten gelegen, den Kindergeldanspruch der Klägerin innerhalb angemessener Zeit zu prüfen und zur Auszahlung zu bringen.
Es gebe im Bereich der Verzugszinsforderung bei Kindergeldzahlung durch den jeweiligen Arbeitgeber bzw. im Hinblick auf auszahlende Familienkassen k...