Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufungsbegründungsfrist bei Nichtabsetzung des Urteils binnen fünf Monaten
Leitsatz (redaktionell)
Die Bestimmung des § 66 Abs. 1 S. 2 ArbGG regelt nunmehr ausdrücklich auch den Beginn der Berufungsbegründungsfrist unabhängig von der Einlegung des Rechtsmittels.
Normenkette
ArbGG § 66 Abs. 1 S. 2, § 9 Abs. 5 S. 4
Verfahrensgang
ArbG Nordhausen (Urteil vom 27.02.2002; Aktenzeichen Ca 381/01) |
Tenor
1) Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 27.02.2002 – 2 Ca 381/01 – wird als unzulässig verworfen.
2) Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3) Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin.
Die Klägerin absolvierte am 12.09.1994 vor dem Lehrerprüfungsamt Mecklenburg-Vorpommern die 2. Staatsprüfung für das Lehramt an Haupt- und Realschulen in den Unterrichtsfächern Mathematik und Physik. Seit dem 01.11.1998 ist sie als Lehrerin bei dem beklagten Freistaat beschäftigt und erhält die Vergütungsgruppe III BAT-O. Die Klägerin begehrt die Vergütungsgruppe II a BAT-O, deren Zahlung der Beklagte jedoch verweigert.
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien im einzelnen, der getroffenen gerichtlichen Feststellungen und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 27.02.2002 (Bl. 45 d. A.) gemäß § 543 Abs. 1 ZPO Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage aus den in den Entscheidungsgründen im einzelnen ersichtlichen Gründen (Bl. 46 – 47 d. A.) zum überwiegenden Teil stattgegeben.
Gegen dieses ihm am 24.03.2003 (!) zugestellte Urteil vom 27.02.2002 hat der Beklagte mit dem am 12.11.2002 beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 11.11.2002 Berufung eingelegt und diese – nach erfolgter Fristverlängerung bis 13.01.2003 – mit dem am 13.01.2003 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 10.01.2003 begründet.
Der Beklagte vertritt die Auffassung, er habe die Berufungsfrist gewahrt. Nach § 516 ZPO beginne die Berufungsfrist spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung, wenn zu diesem Zeitpunkt die Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils noch nicht erfolgt sei. Da es jedoch vor Urteilszustellung auch an der erforderlichen Rechtsmittelbelehrung mangele beginne im arbeitsgerichtlichen Verfahren mit Ablauf der 5-Monats-Frist noch nicht die Berufungsfrist sondern wegen Fehlens der vorgeschriebenen Rechtsmittelbelehrung zunächst die Jahresfrist des § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die Bestimmung des § 66 Abs. 1 ArbGG nicht lex specialis zu § 9 Abs. 5 ArbGG.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen, Az.: 2 Ca 381/01, vom 27.02.2002, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt:
die Berufung als unzulässig zu verwerfen bzw. kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Klägerin meint, die Berufung sei als unzulässig zu verwerfen, da der Beklagte die Berufungsfrist des § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG in der Fassung des ZPO-RG vom 27.07.2001 nicht gewahrt habe. Nach dieser Bestimmung begann die Frist für die Einlegung und Begründung der Berufung spätestens mit Ablauf von 5 Monaten nach der Verkündung des Urteils, mithin am 27.07.2002. Die am 12.11.2002 erfolgte Berufungseinlegung sei damit verspätet.
Im übrigen wird Bezug genommen auf den weiteren Inhalt der Schriftsätze der Parteien sowie auf die Verhandlungsprotokolle der ersten und zweiten Instanz.
Entscheidungsgründe
I.
Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 ArbGG statthafte und nach dem Beschwerdewert gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG zulässige Berufung des Beklagten ist nicht frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517 ff. ZPO, 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 ArbGG) und damit insgesamt unzulässig.
Gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG in der Fassung des ZPO-RG vom 27.07.2001 beträgt die Frist für die Einlegung der Berufung einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung, § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG.
Mit dieser Neuregelung lässt sich nach Auffassung der erkennenden Kammer die bisherige Meinung nicht mehr aufrechterhalten, wonach § 9 Abs. 5 ArbGG nur die Fristen für die Einlegung eines Rechtsmittels betreffe nicht jedoch für dessen Begründung. Denn die Bestimmung des § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG regelt nunmehr ausdrücklich auch den Beginn der Berufungsbegründungsfrist unabhängig von der Einlegung des Rechtsmittels (so bereits überzeugend Germelmann/-Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 4. A, § 66 m. w. N.). Damit ist zwar vordergründig ein Widerspruch zur Bestimmung des § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG gegeben, nach dem Grundsatz „lex posterior derogat legi priori” geht jedoch das später erlassene Gesetz dem älteren vor (vgl. LAG Nürnberg, Beschluss vom 28.10.2002, 2 SHa 5/02 m. w. N.). Diese neue Regelung entspricht im übrigen dem ...