Verfahrensgang

ArbG Erfurt (Urteil vom 28.09.1993; Aktenzeichen 6 Ca 187/93)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 11.07.1995; Aktenzeichen 3 AZR 8/95)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin vom 03.12.1993 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 28.09.1993, Az.: 6 Ca 187/93 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Parteien besteht Streit über die Frage, ob sich die Höhe einer der Klägerin zu zählenden Abfindung nach dem betrieblichen Sozialplan oder einem Rationalisierungsschutz-Tarifvertrag zu richten hat.

Die Klägerin war nach 22jähriger Beschäftigung bei der Bekl. bzw. deren Rechtsvorgängerin im Alter von 57 Jahren am 31.12.1992 aufgrund eines von der Beklagten veranlaßten Aufhebungsvertrages ausgeschieden und bezog anschließend Altersübergangsgeld nach § 249 e AFG.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifbindung das Rationalisierungsschutzabkommen für das private Versicherungsgewerbe in den Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie Berlin-Ost vom 28.11.1990, in Kraft ab 1.1.1991, (im folgenden: Ratioschutz-TV) Anwendung. Dieser Ratioschutz-TV hat (soweit von Bedeutung) folgenden Wortlaut:

㤠12 Abfindungen

1. Endet das Arbeitsverhältnis, hat der Arbeitnehmer, wenn er länger als 5 Jahre dem Unternehmen angehört, Anspruch auf eine Abfindung. Diese beträgt mindestens – unbeschadet einer Regelung gem. §§ 111 ff BetrVG … – nach 5 Jahren Unternehmenszugehörigkeit 1 Monatsbezug, nach 10 Jahren 2 Monatsbezüge und nach 15 Jahren Unternehmenszugehörigkeit 3 Monatsbezüge. Im übrigen gilt nachstehende Tabelle:

Lebensalter

40

43

46

49

52

55

58

Betriebszugehörigkeit

Monatsbezüge

10 Jahre

4

5

6

7

8

9

10

13 Jahre

7

8

9

10

11

16 Jahre

10

11

12

§ 14 Persönliche Anspruchsvoraussetzungen

1. Ansprüche aus dieser Vereinbarung bestehen nicht, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses

das 65. Lebensjahr vollendet hat oder

die Möglichkeit des Bezuges von vorgezogenem Altersruhegeld, Leistungen aus einer Befreiungsversicherung gemäß § 3 Ziff. 4 MTV oder entsprechender öffentlich-rechtlicher Versorgungsbezüge besteht. …

§ 15 Subsidiaritätsklausel

1. Ansprüche auf Leistungen gem. §§ 6, 7 und 12 bestehen nur, soweit nicht auf anderer Rechtsgrundlage Leistungen zu den gleichen Zwecken gewährt werden. Dazu gehören auch gesetzliche oder durch Vergleich vereinbarte Abfindungsansprüche gegen den Arbeitgeber (z. B. §§ 9, 10 KSchG. § 112 BetrVG) sowie zusätzliche Leistungen bei freiwilliger vorzeitiger Pensionierung (§ 10), insbesondere auch in Verbindung mit einer betrieblichen Altersversorgung. …

§ 16 Öffnungsklausel

Günstigere gesetzliche, tarifliche, betriebliche oder einzelvertragliche Bestimmungen bleiben von diesem Abkommen unberührt. Der Abschluß abweichender Betriebs- oder Dienstvereinbarungen ist zulässig. …”

Bei der Beklagten wurde am 9.5.1992 anläßlich der Betriebsänderung, in deren Folge auch die Klägerin bei der Beklagten ausschied, ein Sozialplan abgeschlossen, der auszugsweise wie folgt lautet:

„VI. 1. Die seit dem 16.3.1992 betroffenen ausgeschiedenen AN, die infolge Kündigung oder Aufhebungsvertrag wegen der Betriebsänderung ausscheiden, erhalten nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Abfindungen …

2. Nicht abfindungsberechtigt sind: …

3. Die übrigen AN erhalten Abfindungen nach folgenden Regelungen: Es gelten die Abfindungsregelungen aus dem Ratioschutzabkommen (vom 28.11.1990) mit folgenden Modifzierungen:

  • AN mit Betriebszugehörigkeit von 1/2 Jahr bis 5 Jahren erhalten 1 Monatsbezug
  • AN bis zum vollendeten 40 Lebensjahr erhalten einen Zuschlag von 0,5 eines Monatsbezugs, bis zum vollendete 50. Lebensjahr von 1,0 eines Monatsbezugs und bis zum vollendeten 57. Lebensjahr von 1,5 eines Monatsbezugs. …
  • AN ab dem vollendeten 55. Lebensjahr, soweit sie Altersübergangsgeld erhalten, bekommen die Hälfte der Summe aus Abfindung und Alterszuschlag (1,5 Monatsbezüge).”

Die Beklagte zahlte an die Klägerin eine Abfindung von DM 20.082.–, die sie nach den Regelungen des Sozialplans bemaß. Wenn die Klägerin unter die Regelung des Ratioschutz-TV fiele, stünden ihr unstreitig DM 36.223,– als Abfindung zu.

Die Klägerin hat die Meinung vertreten, sie erfülle die persönlichen Voraussetzungen nach § 14 Ratioschutz-TV, da der dort genannte Ausschlußtatbestand bei Bezug von vorgezogenem Altersruhegeld oder entsprechender öffentlich-rechtlicher Versorgungsleistungen nicht auf das (von ihr bezogene) Altersübergangsgeld anzuwenden sei. Der Sozialplan sei für sie nicht verbindlich, da er in ihrem konkreten Fall keine günstigere Regelung als der Ratioschutz-TV enthalte.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie DM 16.141,– nebst 4 % Zinsen seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin gehöre nicht zu dem vom Ratioschutz-TV erfaßten Personenkreis, da sie Altersübergangsgeld beziehe. D...

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