Entscheidungsstichwort (Thema)
Haushaltsplan und kw-Vermerk
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der arbeitsgerichtlichen Überprüfung von Kündigungen, die auf konkretisierten Stellenstreichungen oder konkretisierten kw-Vermerken in Haushaltsplänen öffentlicher Arbeitgeber beruhen, ist der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess verpflichtet, das Vorliegen eines dringenden betrieblichen Erfordernisses i. S. § 1 Abs. 2 KSchG und im Fall des Abs. 4 Nr. 1 EV das Fehlen eines Bedarfs vorzutragen.
2. Zur Annahme eines dringenden betrieblichen Erfordernisses i. S. § 1 Abs. 2 KSchG oder eines mangelnden Bedarfs i. S. Abs. 4 Nr. 1 EV reicht eine schlichte Bezugnahme auf den Haushaltsplan nur aus, wenn sich aus diesem ergibt, dass durch dienststellenorganisatorisch gestaltende oder belassende Entscheidungen die Arbeitsmenge geringer als die zu ihrer Erledigung vorhandenen Arbeitnehmer ist. Wenn dies nicht der Fall ist, muss dies vom Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess nachvollziehbar dargelegt werden. Lediglich die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit der die Dienststellenorganisation ändernden oder belassenden Unternehmerentscheidung ist vorbehaltlich einer Missbrauchskontrolle der arbeitsgerichtlichen Überprüfung entzogen. Ob diese Unternehmer-entscheidung jedenfalls im Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist des betroffenen Arbeitnehmers zu einer Verminderung des Arbeitskräftebedarfs geführt hat, unterliegt demgegenüber – wie in der Privatwirtschaft – der vollen gerichtlichen Überprüfung.
3. Danach hat die vom Großen Senat des BAG in seinem Beschluss vom 28.11.1956 (AP Nr. 20 zu § 1 KSchG) gebildete Unterscheidung in die zwei Fallgruppen einer konkretisierten Stellenstreichung und lediglich allgemeiner Einsparungen im Haushaltsplan nur die Bedeutung, dass die Verwaltungsorgane im erstgenannten Fall über kein Auswahlermessen bei den Maßnahmen der Umsetzung der haushaltsrechtlich angeordneten Einsparungen verfügen, während es im zweitgenannten Fall der Verwaltung obliegt, Einsparungsmaßnahmen zu ersinnen und organisatorisch umzusetzen. Der Maßstab der arbeitsgerichtlichen Überprüfung von Kündigungen bleibt in beiden Fällen derselbe.
4. Eine Unternehmerentscheidung staatlicher Organe, die entweder darauf hinausläuft, gesetzlich vorgeschriebenen Gewässerunterhaltungspflichten nicht mehr nachzukommen oder den Arbeitszeitschutz zu missachten, ist offenbar unsachlich und unvernünftig.
Normenkette
KSchG § 1; EV Abs. 4 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Suhl (Urteil vom 07.12.1993; Aktenzeichen 4 Ca 2013/93) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl – 4 Ca 2013/93 – vom 07.12.1993 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer von dem Beklagten auf der Grundlage des Einigungsvertrages ausgesprochenen ordentlichen Kündigung.
Der am 18.4.1967 geborene Kläger arbeitete seit dem 16.5.1989 als Wasserbaufacharbeiter bei der Thüringer Landesanstalt für Umwelt (TLU), Außenstelle Süd in S. bei einer dieser zugeordneten Flussmeistereien.
Am 24.11.1992 legte der Thüringer Minister für Umwelt und Landesplanung der Landesregierung einen Referentenentwurf für ein Thüringer Wassergesetz vor. Diese nahm den Entwurf mit gewissen Änderungen zur Kenntnis und bat den Umweltminister, die erforderlichen Anhörungen durchzuführen (Bl. 32 d. A.). In dem am 07.09.1993 erfolgten zweiten Kabinettsdurchgang wurde das Wassergesetz vorbehaltlich der Herstellung des Einvernehmens zwischen Umwelt- und Innenminister über bestimmte Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen beschlossen (Bl. 70 d. A.). Der Umweltminister ging davon aus, dass das Wassergesetz am 01.01.1994 nach Verabschiedung durch den Landtag in Kraft treten könne.
In diesem Gesetzentwurf war und in dem erst am 19.05.1994 in Kraft getretenen Thüringer Wassergesetz vom 10.05.1994 ist u. a. vorgesehen, dass die Verantwortung für die Thüringer Wasserläufe neu verteilt wird. Danach sind nur noch die Gewässer 1. Ordnung, d. h. 1.520 km vom Land Thüringen zu unterhalten (§ 68 Abs. 1 Nr. 1 ThürWG). Die Verantwortung für die verbleibenden 4.580 km Wasserläufe soll auf die Gemeinden oder die zur Unterhaltung gegründeten Verbände übergehen (§ 68 Abs. 1 Nr. 2 ThürWG).
Im Rahmen der Verringerung der den Beklagten im Hinblick auf die Thüringer Wasserläufe betreffenden Unterhaltspflichten war auch eine Reduzierung der für die Gewässerunterhaltung erforderlichen Flussmeisterdienststellen geplant. Nach einer undatiert von dem Beklagten zu den Akten gereichten vorläufigen Konzeption zur Neustrukturierung der Gewässerunterhaltung in Thüringen war eine Reduzierung der im Bereich der Außenstelle S. beschäftigten 41 Arbeiter auf eine Zahl von 21 Arbeiter vorgesehen. Dem lag zugrunde, dass diese Außenstelle für 338,2 Flusskilometer zuständig sein sollte und wegen der Reduzierung der in Thüringen insgesamt beschäftigten Flussfacharbeiter auf eine Zahl von 94 bei ...