Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung des Spartentarifvertrags für die Nahverkehrsbetriebe Thüringen hinsichtlich der Stufenzuordnung
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Grundsätzen der Tarifauslegung.
2. Entfällt eine Altersstufe in einer Entgeltgruppe, hat dies nicht automatisch zur Folge, dass die Zeiten des Aufrückens in eine höhere Gruppe sich bei allen Mitarbeitern verkürzen.
Normenkette
Spartentarifvertrag für die Nahverkehrsbetriebe Thüringen § 6 Abs. 2 S. 2; TVG § 1
Verfahrensgang
ArbG Gera (Entscheidung vom 02.09.2015; Aktenzeichen 7 Ca 305/14) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 2.9.2015 - 7 Ca 305/14 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die zutreffende Einordnung in die Entgeltstufe der Entgeltgruppe 5 für Kombi-Fahrer im Rahmen des am 17.4.2014 beschlossenen Spartentarifvertrags Nahverkehrsbetriebe in Thüringen.
Der Kläger, Jahrgang 1977, ist seit dem 1. November 2004 bei der Beklagten als Fahrer im Bus- und Straßenbahnbetrieb tätig. Seine Zuordnung zur Entgeltgruppe 5 steht außer Streit. Der bisher gültige Tarifvertrag regelte die Stufenzuordnung wie folgt:
§ 6
(2) Jede Entgeltgruppe ist in vier Stufen aufgeteilt. Beginnend mit der Stufe 1 erreicht der Beschäftigte die jeweils nächste Stufe innerhalb seiner Entgeltgruppe unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit (§ 5) nach folgenden Zeiten:
Stufe 2 nach drei Jahren in Stufe 1,
Stufe 3 nach vier Jahren in Stufe 2,
Stufe 4 nach fünf Jahren in Stufe 3.
Förderliche Zeiten können für die Stufenzuordnung berücksichtigt werden. Bei Leistungen, die erheblich über dem Durchschnitt liegen, kann die erforderliche Zeit in den Stufen verkürzt werden. Bei Leistungen, die erheblich unter dem Durchschnitt liegen, kann die erforderliche Zeit in jeder Stufe einmal bis zur Hälfte verlängert werden.
(3) Neu eingestellte Beschäftigte, mit Ausnahme der Beschäftigten in der Entgeltgruppe 1, sind in den ersten sechs Monaten ihrer Beschäftigung eine Entgeltgruppe niedriger eingruppiert. Die wiederholte Einreihung in die niedrigere Entgeltgruppe infolge mehrfacher Befristungen ist dann unzulässig, wenn dadurch der Zeitraum von sechs Monaten überschritten wird.
Es kam in insgesamt acht Verhandlungsterminen zur Neuverhandlung der Entgeltstruktur. Am 17.4.2014 kam es zu einer Einigung, welche am 20.5.2014 nochmals einer redaktionellen Prüfung unterzogen wurde. Diese enthält (in Ausschnitten) folgende Regelung:
§ 1 Geltungsbereich
(1) Dieser Tarifvertrag gilt in Thüringen für alle Beschäftigten in Nahverkehrsbetrieben, die Mitglieder der vertragsschließenden Parteien sind.
...
§ 5 Betriebszugehörigkeit
(1) Betriebszugehörigkeit ist die bei demselben Arbeitgeber ununterbrochen in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit. Eine Unterbrechung von bis zu sechs Monaten ist unschädlich; die Unterbrechungszeit selbst bleibt außen vor.
§ 6 Eingruppierung, Zulagen für höherwertige Tätigkeit
(2) Jede Entgeltgruppe ist in vier Stufen aufgeteilt. Beginnend mit der Probezeitstufe erreicht der Beschäftigte die jeweils nächste Stufe innerhalb seiner Entgeltgruppe unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit (§ 5) nach folgenden Zeiten:
Stufe 1 nach 6 Monaten in der Probezeitstufe
Stufe 2 nach vier Jahren in der Stufe 1,
Stufe 3 nach fünf Jahren in der Stufe 2.
Förderliche Zeiten können für die Stufenzuordnung berücksichtigt werden. Bei Leistungen, die erheblich über dem Durchschnitt liegen, kann die erforderliche Zeit in den Stufen verkürzt werden. Bei Leistungen, die erheblich unter dem Durchschnitt liegen, kann die erforderliche Zeit in jeder Stufe einmal bis zur Hälfte verlängert werden. Dieses Verfahren verlangt die Anhörung nach § 99 BetrVG.
Protokollerklärung zu Absatz 2.
Beschäftigte, die am 1.3.2014 z. B. bereits zwei Jahre in der bisherigen Stufe 1 (jetzt Probezeitstufe) erreicht haben, werden mit Inkrafttreten dieses Tarifvertrages der neuen Stufe 1 (bisherige Stufe 2) zugeordnet.
§ 25 Inkrafttreten
(1) Dieser Tarifvertrag tritt am 1.3.2014 in Kraft.
(2) (Kündbarkeit).
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der neue Tarifvertrag regele in §§ 5, 6, dass die Stufenzeiten des § 6 Abs. 2 zu addieren und mit seiner Betriebszugehörigkeit abzugleichen seien. Die Endstufe werde nach neuneinhalb Jahren erreicht, er selbst erreiche eine entsprechende Betriebszugehörigkeit am 1.5.2014. Entsprechend müsse er der Endstufe zugeordnet werden. Zwar sei eine Verkürzung der Stufenzeiten nicht notwendig Ziel der Verhandlungen gewesen, aber sie müssten eine einheitliche Anwendung auf alle erfahren.
Der Kläger hat beantragt,
dass er ab dem 1.5.2014 nach der Entgeltgruppe 5 Stufe 3 zu vergüten sei.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, eine rückwirkende Verkürzung durchlebter Stufenzeiten sei nicht gewollt gewesen, vielmehr sei es darum gegangen, die gege...