Entscheidungsstichwort (Thema)

Einordnung des Anspruchs nach § 113 III BetrVG in der Gesamtvollstreckung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über den Betrieb des Arbeitgebers entstandener Anspruch auf Zahlung einer Abfindung wegen Durchführung einer Betriebsänderung ohne Versuch eines Interessenausgleichs mit dem Betriebsrat nach § 113 Abs. 3 BetrVG kann nicht als Masseforderung i. S. des § 13 Abs. 1 Ziff. 1 GesO gegen den Gesamtvollstreckungsverwalter direkt durchgesetzt werden, sondern muss als Forderung nach § 17 Abs. 3 Ziff. 1 c GesO zur Tabelle angemeldet und bei Nichtanerkennung durch Feststellungsklage nach § 11 Abs. 3 Satz 1 GesO geltend gemacht werden.

 

Normenkette

BetrVG § 113; GesO §§ 13, 17

 

Verfahrensgang

ArbG Eisenach (Urteil vom 18.05.1995; Aktenzeichen 5 Ca 1061/94)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.09.1997; Aktenzeichen 8 AZR 498/96)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Eisenach – Außenkammern Mühlhausen – vom 18.05.1995 (5 Ca 1061/94) abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung eines Nachteilsausgleiches im Rahmen eines Gesamtvollstreckungsverfahrens.

Der Kläger war seit dem 01.09.1992 bei der Fa. G. GmbH & Co. KG, einem Unternehmen der Baubranche, beschäftigt und erhielt zuletzt ein monatliches Bruttogehalt von DM 3.139,05.

Nachdem die Firma wegen erheblicher wirtschaftlicher Schwierigkeiten die Löhne und Gehälter für die damals noch ca. 219 Beschäftigten im Monat Mai 1994 nicht mehr zahlen und die Lieferanten und sonstigen Verbindlichkeiten nicht mehr ausgleichen konnte, stellte der damalige alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Komplementär-GmbH am 06.07.1994 den Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft (vgl. Bl. 95 ff d. A.).

Mit Beschluss vom 13.07.1994 (vgl. Bl. 70 d. A.) verhängte das Amtsgericht Mühlhausen zur Sicherung der Masse ein allgemeines Veräußerungsverbot und ordnete die Sequestration des Geschäftsbereichs der Antragstellerin an und bestellte den Beklagten zum Sequester und Sachverständigen.

Der Beklagte informierte am 14./15.07.1994 den bei der Arbeitgeberfirma gebildeten Betriebsrat über die von ihm beabsichtigte Betriebsstillegung und die Kündigung aller Mitarbeiter im Rahmen der für den 01.08.1994 geplanten Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens.

Mit dem Betriebsrat wurde Einigkeit darüber erzielt, dass ein Sozialplan auf Grund der desolaten wirtschaftlichen Lage der Schuldnerin nicht verwirklicht werden könnte. Gleichzeitig wurde der Betriebsrat aber darauf hingewiesen, dass die Arbeitnehmer noch bis Ende Juli 1994 ihre Arbeitsleistung zu erbringen hätten.

Mit Beschluss vom 01.08.1994, 7.00 Uhr (vgl. Bl. 71 d. A.) ordnete das Amtsgericht Mühlhausen die Gesamtvollstreckung über das Vermögen der Gesellschaft an und bestellte den Beklagten zum Gesamtvollstreckungsverwalter.

Am gleichen Tag wurden die Arbeitnehmer in einer Mitgliederversammlung über die Lage des Betriebes informiert und die Kündigung der Arbeitsverhältnisse ausgesprochen, wobei zwischen den Parteien Streit darüber besteht, ob an diesem Tage die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Arbeitnehmer gekündigt wurden oder ob ein Teil der Arbeitnehmer wegen notwendiger Abwicklungsarbeiten zunächst weiter beschäftigt wurden.

Der Kläger jedenfalls erhielt am 01.08.1994 die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31.08.1994.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte das im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehene Verfahren zum Abschluss eines Interessenausgleiches mit dem Betriebsrat über die Modalitäten der Beendigung der Arbeitsverhältnisse nicht bis zur Einigungsstelle durchgeführt habe und dass er deshalb unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Zahlung eines Nachteilsausgleiches nach § 113 Abs. 3 BetrVG schulde. Nach seiner Auffassung könnte dieser Anspruch gegenüber dem Beklagten direkt geltend gemacht werden, weil es sich um eine Massenforderung i. S. des § 13 Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) handele, weil die Forderung auf einer dem Beklagten als Gesamtvollstreckungsverwalter zurechenbaren Handlung beruhe.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn eine angemessene Abfindung, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, er selbst habe keine Betriebsstillegung und damit eine Betriebsänderung, i. S. des § 111 BetrVG vorgenommen, weil nämlich die wirtschaftliche Tätigkeit des Betriebes bereits vor der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens vollkommen eingestellt worden sei. Darüber hinaus hat er die Klage für unzulässig gehalten, weil im Bereich der GesO der Anspruch auf Nachteilsausgleich eine gem. § 17 GesO zur Tabelle anzumeldende Forderung sei und nicht a...

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