Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an das Höhergruppierungsverlangen nach § 29a Abs. 3 TVÜ-L. Fristversäumnis bezüglich des Antrags auf Höhergruppierung. Weiter Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien bei der tariflichen Normsetzung. Keine Hinweispflicht des Arbeitgebers auf tarifvertragliche Ausschlussfristen

 

Leitsatz (amtlich)

Einzelfallentscheidung zur Versäumung der Frist zur Stellung eines Höhergruppierungsantrags nach § 29 a Abs. 3, Abs. 4 TVÜ-Länder i. d. F. des § 11 TV EntgO-L.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine "Bitte um Überprüfung der Eingruppierung und gegebenenfalls um Höherstufung" erfüllt nicht die Anforderungen an ein Höhergruppierungsverlangen. Zu berücksichtigen ist, dass es sich bei einem Antrag auf Höhergruppierung nach § 29a Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Länder um die Ausübung eines Wahlrechts bezogen auf einen Wechsel in das neue tarifliche Entgeltsystem handelt. Ein solcher Wechsel hat weitreichende Folgen. Wird der Antrag fristgerecht gestellt, entsteht der Höhergruppierungsanspruch rückwirkend. Der Antrag muss deshalb den unbedingten Willen zur Ausübung des Wahlrechts mit Blick auf die neue Entgeltsystematik zum Ausdruck bringen.

2. Folge eines nicht fristgerechten Antrags ist, dass eine Anwendung der neuen Entgeltordnung und eine Eingruppierung nach den neuen Vorgaben ohne einen Wechsel der Tätigkeit endgültig ausscheiden. Damit besteht nach Fristablauf für beide Arbeitsvertragsparteien Klarheit, welche Entgeltordnung auf ihr Arbeitsverhältnis bei unveränderter Tätigkeit Anwendung findet.

3. Den Tarifvertragsparteien steht bei ihrer Normgebung gemäß Art. 9 Abs. 3 GG ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Sie sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt. Die Gerichte dürfen insoweit nicht eigene Gerechtigkeitsvorstellungen an die Stelle von Bewertungen der zuständigen Verbände setzen.

4. Es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Arbeitnehmer auf das Eingreifen von tarifvertraglichen Ausschlussfristen hinzuweisen. Anerkannt ist, dass in einem Tarifvertrag enthaltene Ausschlussfristen auch dann ablaufen, wenn sie dem Arbeitnehmer unbekannt sind. Selbst bei Verletzung der Verpflichtung zur Auslage des Tarifvertrags im Betrieb gilt die Ausschlussfrist.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3; TVÜ-L § 29a Abs. 4 S. 1; NachwG § 2 Abs. 1 Nr. 15

 

Verfahrensgang

ArbG Nordhausen (Entscheidung vom 05.04.2022; Aktenzeichen 1 Ca 641/21)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 05.04.2022 - Az. 1 Ca 641/21 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die richtige Eingruppierung der Klägerin nach dem TV-L bzw. TV EntgO-L, wobei die Klägerin ihre Eingruppierung in Entgeltgruppe 9 ab dem 01.01.2018 bzw. Entgeltgruppe 9 a ab dem 01.01.2019 begehrt.

Die Klägerin ist auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom ... 2005 i. d. F. des Änderungsvertrages vom ... 2005 (Bl. 6 - 7 der Akte) bei dem Beklagten als sonderpädagogische Fachkraft im staatlichen Schuldienst tätig. Ihre Stammdienststelle ist das Förderzentrum A....

Ausweislich § 2 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-O) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung.

Ausweislich § 4 des Arbeitsvertrages wurde die Klägerin ursprünglich in die Vergütungsgruppe VIb BAT-O eingruppiert. Ab August 2005 erfolgte die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe Vc BAT-O.Diese Eingruppierungen erfolgten auf Basis von Abschnitt B, Unterabschnitt III der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte (Ost) (Lehrer-Richtlinien-O der TdL) vom 22.06.1995 (vgl. Bl. 185 ff.), die auszugsweise folgenden Inhalt haben:

"B. Sonstige Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis an allgemeinbildenden und an berufsbildenden Schulen

...

III. Lehrkräfte an Sonderschulen

...

11. Erzieherinnen, Kindergärtnerinnen, Hortnerinnen, Krankengymnastinnen, Logopädinnen, Beschäftigungstherapeuten, Kinderdiakone und Freundschaftspionierleiter

mit entsprechender staatlicher Prüfung oder staatlicher Anerkennung und mindestens 12-monatiger sonderpädagogischer Zusatzausbildung

als pädagogische Unterrichtshilfen V b

...

12. Erzieherinnen, Kindergärtnerinnen, Hortnerinnen, Krankengymnastinnen, Logopädinnen, Beschäftigungstherapeuten, Kinderdiakone und Freundschaftspionierleiter

mit entsprechender staatlicher Prüfung oder staatlicher Anerkennung

als pädagogische Unterrichtshilfen V c ...

13. Angestellte ohne Ausbildung nach Fallgruppe 11 oder Fallgruppe 12

als pädagogische Unterrichtshilfen VI b"

Auf Grundlage des ab 01.08.201...

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