Verfahrensgang
ArbG Eisenach (Urteil vom 03.06.1993; Aktenzeichen Ca 2456/91) |
Nachgehend
Tenor
Es ergeht folgendes
Urteil:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Eisenach, Auswärtige Kammer Mühlhausen, vom 03.06.1993 – Ca 2456/91 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Anschlußberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung einer der Höhe nach unstreitigen Abfindung gem. Sozialplan vom 27.11.1990, hilfsweise Zahlung eines Nachteilsausgleiches wegen Durchführung einer Betriebsänderung ohne Versuch eines Interessenausgleichs.
Der am 07.06.1935 geborene Kläger begründete im Februar 1962 mit dem ehemaligen volkseigenen Handelsbetrieb (HO) W., Sitz L., ein Arbeitsrechtsverhältnis. Aufgrund des Treuhandgesetzes der DDR vom 17.06.1990 wurde der volkseigene Handelsbetrieb mit Wirkung zum 01.07.1990 in eine GmbH umgewandelt, die fortan unter dem Namen Kaufpunkt E. GmbH firmierte. Die Kapitalanteile der GmbH lagen bei der Treuhandanstalt.
Die Treuhandanstalt gründete am 09.10.1990 die Gesellschaft zur Privatisierung des Handels mbH (im folgenden: GPH) mit dem Ziel, die in ihrem Eigentum stehenden Betriebe der ehemaligen Handelsorganisation (HO) zu privatisieren. Soweit die Privatisierung nicht möglich war, erfolgte die Stillegung der verbliebenen Betriebsteile zum 30.06.1991. Die noch beschäftigten Arbeitnehmer wurden zu diesem Zeitpunkt gekündigt.
Die GPH nahm für alle zur Gesellschaft gehörenden Unternehmen Verhandlungen mit den zuständigen Gewerkschaften HBV, NGG und DAG über den Abschluß eines Tarifvertrages auf, der u. a. die wirtschaftlichen Nachteile der von der Privatisierung betroffenen Arbeitnehmer ausgleichen sollte. Der Geschäftsführer der GPH wies die zur Gesellschaft gehörenden Unternehmen an, wegen der zentral geführten Tarifverhandlungen keine Sozialpläne abzuschließen.
Aufgrund nach dem 01.07.1990 aufgenommener Verhandlungen wurde im November 1990 zwischen der Kaufpunkt E. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer S., und der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen Thüringen, vertreten durch den Landesgeschäftsführer, ein „Rationalisierungsabkommen Interessenausgleich/Sozialplan” abgeschlossen, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 6–11 d. A.). Das Abkommen ist unterzeichnet vom Vertreter des Landesgeschäftsführers der HBV Thüringen, der amtierenden Betriebsrats Vorsitzenden T. sowie vom Geschäftsführer S.. Der Geschäftsführer S. hatte sich zunächst geweigert, die Vereinbarung ohne Zustimmung der Treuhand zu unterzeichnen. Der Betriebsrat protestierte daraufhin bei der Zweigniederlassung der Treuhand in Erfurt. Am 27.11.1990 leistete der Geschäftsführer S. schließlich die Unterschrift „vorbehaltlich der Zustimmung der Treuhand”. Eine schriftliche Zustimmung der Treuhand erfolgte nicht.
Am 31.01.1991 schlossen die GPH und die Gewerkschaft HBV den Tarifvertrag über die Qualifizierung und Milderung wirtschaftlicher Nachteile im Zusammenhang mit der Privatisierung (im folgenden: GPH-TV). Dessen § 12 lautet:
Dieser Tarifvertrag wird für alle zur Gesellschaft gehörenden Unternehmen im Rahmen rechtsgeschäftlich begründeter Tarifführerschaft geschlossen.
Er stellt einen Einheitstarifvertrag dar, der hinsichtlich der in den obligatorischen Bestimmungen festgelegten Rechte und Pflichten nur gemeinsam ausgeübt werden kann.
Die Kaufpunkt E. GmbH ist in der Anlage zu § 12 GPH-TV aufgeführt.
Nach Abschluß des GPH-TV stellten die Betriebsparteien ihre Bemühungen ein, die Zustimmung der Treuhandanstalt zu der Vereinbarung vom 27.11.1990 „Rationalisierungsabkommen Interessenausgleich/Sozialplan” zu erhalten. Beide gingen von der Verbindlichkeit des GPH-Tarifvertrages für den Betrieb der Kaufpunkt E. GmbH aus. Der Betriebsrat verlangte in der Folgezeit weder den Abschluß eines Interessenausgleiches noch den eines Sozialplanes.
Mit Wirkung zum 30.06.1991 wurden die nicht privatisierten Betriebsteile der Kaufpunkt E. GmbH stillgelegt. Dies galt auch für den Betriebsteil, in dem der Kläger beschäftigt war. Sein Arbeitsverhältnis wurde mit Schreiben vom 21.03.1991 zum 30.06.1991 gekündigt (Bl. 4 d. A.). Der Kläger akzeptierte die Kündigung. Er trat am 01.07.1991 in Vorruhestand.
Bei Ausscheiden zahlte die Kaufpunkt E. GmbH an den Kläger die Abfindung gem. GPH-Tarifvertrag in Höhe von 10.736,00 DM. Der Kläger bezog zuletzt ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 1.430,00 DM.
Mit seiner am 05.11.1991 eingereichten Klage hat der Kläger vom ehemaligen Arbeitgeber die höhere Abfindung gem. Sozialplan vom 27.11.1990 verlangt. Mit Wirkung vom 07.01.1992 wurde die Beklagte aufgrund sogenannter verschmelzender Aufspaltung nach dem Gesetz über die Aufspaltung der von der Treuhandanstalt zu verwaltenden Unternehmen vom 05.04.1991 Rechtsnachfolgerin der Kaufpunkt E. GmbH. Auf Antrag beider Prozeßparteien...