Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung. Sozialauswahl. Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer

 

Leitsatz (redaktionell)

Ist die Zuweisung eines anderen Verkaufsgebiets bei einem Verkaufsgebietsleiter arbeitsvertraglich vorgesehen und vereinbart, so hat im Fall einer betriebsbedingten Kündigung eine Sozialauswahl mit anderen Verkaufsgebietsleitern stattzufinden.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Erfurt (Urteil vom 04.06.2003; Aktenzeichen 4 Ca 3946/02)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 27.04.2005; Aktenzeichen 1 BvR 2674/04)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 04.06.2003 – 4 Ca 3946/02 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

Der Kläger, ein am 13.07.1949 geborener, verheirateter und einem Sohn unterhaltspflichtiger Diplom-Ingenieur, war bei der Beklagten auf der Grundlage des mit der B GmbH geschlossenen Arbeitsvertrages vom 14.12.1995 (Bl. 11 bis 16 d. A.) als Gebietsleiter für Architekturkeramik beschäftigt. Die Beklagte ist die C und B. AG und Rechtsnachfolgerin der B GmbH. Sie beschäftigt regelmäßig mehr als 5 Arbeitnehmer.

§ 1 des Arbeitsvertrages vom 14.12.1995 lautet, soweit von Interesse:

  1. Herr R. ist als Gebietsleiter für alle Produkte der B. GmbH (excl. Bereich Fassade) und der A. Fliesen GmbH im Verkaufsgebiet (lt. beiliegender Karte) eingesetzt. …
  2. Änderungen des Verkaufsgebietes können unter angemessener Berücksichtigung der Interessen des Gebietsleiters von der Gesellschaft vorgenommen werden. Hierdurch wird die Gültigkeit des Vertrages nicht berührt.

Die Beklagte hatte ihr Geschäftsgebiet in 19 nach Postleitzahlbezirken bestimmte Verkaufsgebiete eingeteilt. Der Kläger hatte das Verkaufsgebiet 17 mit den Postleitzahlbezirken 07 (Raum Gera), 98 (Raum Suhl) und 99 (Raum Erfurt) in Thüringen, 06 (Raum Halle/Dessau) in Sachsen-Anhalt und 08 (Raum Zwickau) in Sachsen zu betreuen. Auf die Übersichtskarte Bl. 136 d. A. wird Bezug genommen.

Mit Arbeitsvertrag vom 25.12.1995 war der ursprüngliche Arbeitsvertrag mit der B. GmbH vom 30.10.1990 (Bl. 5 bis 10 a d. A.) unter Anerkennung der Beschäftigungszeit abgelöst worden. Dessen § 1 hatte – soweit von Interesse – folgende Fassung:

Herr R. tritt zum 29.10.1990 als außertariflicher Angestellter in den Dienst der B. GmbH.

Seine Aufgabe besteht darin, innerhalb des fest umrissenen Gebietes Thüringen als Außendienst-Repräsentant den Vertrieb nachstehender Erzeugnisse wahrzunehmen:

Der Zuschnitt des dem Kläger zugewiesenen Verkaufsgebietes blieb durch die Neufassung des Arbeitsvertrages unverändert.

Am 25.07.2001 vereinbarte die C. und B. AG mit ihrem Gesamtbetriebsrat einen Sozialplan (Bl. 82 bis 89 d. A.), der unter Ziff. 1 fachlich alle inländischen Vertriebsgesellschaften einbezieht. Unter Ziff. 14 ist geregelt, dass derzeit unbekannte personelle Einzelmaßnahmen im Geschäftsfeld Keramische Belagsmaterialien Inland bis 30.06.2003 in den Geltungsbereich des Sozialplanes fallen. Am 22.10.2002 schlossen die gleichen Betriebsverfassungsparteien einen Interessenausgleich wegen Restrukturierungsmaßnahmen zur Kostensenkung (Bl. 72 bis 75 d. A.), u. a. im Vertrieb (Ziff. 2.1). Danach ist angedacht, die Außendienstgebiete der Beklagten im Bereich Architekturkeramik im Inland um nochmals 1 bis 3 zu verkleinern.

Mit Schreiben der C. und B. AG vom 19.11.2002 (Bl. 247 d. A.) an den Betriebsrat erfolgte die Unterrichtung über die beabsichtigte betriebsbedingte Kündigung des Klägers zum 30.06.2003. Der Empfang am 25.11.2002 ist unterschriftlich von H. T. bestätigt. Zur Begründung ist ausgeführt:

Hohe Abweichungen in Umsatz und Ergebnis vom Plan. Eine Reduzierung der Vertriebskosten ist erforderlich und führt dazu, dass das oben genannte Beschäftigungsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen beendet werden muss. Ebenfalls verweisen wir auf den Interessenausgleich/Sozialplan und verschiedene mündliche Unterrichtungen mit Personalabteilung und Geschäftsführung, sowie den Informationsaustausch im Rahmen der Wirtschaftsausschusssitzungen.

Die beabsichtigte Kündigung zum 30.06.2003 wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 09.12.2002 ausgesprochen (Bl. 17 d. A.). Das Verkaufsgebiet des Klägers wurde zum 01.07.2003 aufgeteilt und den Nachbarbezirken zugeordnet. Der westliche Teil wurde dem Gebietsleiter F. (55 Jahre, verheiratet, beschäftigt seit 18 Jahren), der östliche Teil dem Gebietsleiter H. (55 Jahre, verheiratet, 1 Kind, beschäftigt seit 12 Jahren) übertragen.

Mit Urteil vom 04.06.2003 hat das Arbeitsgericht der am 19.12.2002 eingegangenen Kündigungsschutzklage stattgegeben und die damit verbundene Weiterbeschäftigungsklage abgewiesen. Auf dessen Tatbestand wird nach § 543 Abs. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Arbeitsplatz sei zwar infolge der als Unternehmerentscheidung hinzunehmenden Aufteilung des klägerischen Verkaufsgebietes auf die Nachbarbe...

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