Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Terminsgebühr gem RVG-VV Nr 3106. zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundene Verfahren. Anfahrt zur Terminswahrnehmung. Fahrtkosten und Tagegeld

 

Leitsatz (amtlich)

1. In einem vor dem Termin zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren (§ 113 Abs 1 SGG) fällt die Terminsgebühr nur im führenden Verfahren an.

2. In diesem Fall dient die Fahrt des Rechtsanwalts zum Termin nur der Terminswahrnehmung im führenden Verfahren; die Vorbemerkung 7 Abs 3 S 1 VV RVG greift nicht ein.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Meiningen vom 12. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Meiningen streitig (Az.: S 21 AS 464/09).

Am 23. Februar 2009 erhob die von der Beschwerdeführerin vertretene Klägerin Klage gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid und den Widerspruchsbescheid der Beklagten, einer ARGE Grundsicherung. In der Sache ging es um eine Erstattungsforderung (71,20 Euro) aufgrund geänderter Einkommensverhältnisse und Berücksichtigung der Warmwasserpauschale. Mit Beschluss vom 20. Juli 2009 bewilligte das Sozialgericht der Klägerin Prozesskostenhilfe (PKH), ordnete die Beschwerdeführerin bei und verband den Rechtsstreit nach § 113 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit dem führenden Verfahren Az.: S 21 AS 466/99. Am 27. Juli 2009 wurde dieses vor dem Sozialgericht verhandelt.

In ihrer Kostenrechnung vom 28. Juli 2009 beantragte die Beschwerdeführerin für die Verfahren Az.: S 21 AS 464/09 die Festsetzung von 485,58 Euro:

Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG

170,00 Euro

Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG

200,00 Euro

¼ Geschäftsreise für den 27. Juli 2009 Nr. 7003 VV-RVG

 13,05 Euro

¼ Geschäftsreise Nr. 7005 VV-RVG

 5,00 Euro

Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG

 20,00 Euro

Zwischensumme

408,05 Euro

Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV-RVG

 77,53 Euro

Gesamtbetrag

485,58 Euro

Unter dem 19. August 2009 wies die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) die Zahlung von 146,43 Euro an. Ihre Kürzung der Verfahrensgebühr (85,00 Euro) begründete sie damit, dass sich die anwaltliche Tätigkeit ab Beiordnung auf die Klagebegründung beschränkt habe und für Umfang und Schwierigkeit des Verfahrens der anwaltlichen Tätigkeit eine unterdurchschnittliche Bewertung angemessen sei. Nachdem keine Verhandlung stattgefunden habe, komme keine Terminsgebühr in Betracht.

Mit ihrer Erinnerung hat die Beschwerdeführerin vorgetragen, beim Hauptsacheverfahren habe sich um eine durchschnittliche Angelegenheit gehandelt. Überdies sei eine Terminsgebühr angefallen, weil das Sozialgericht am 27. Juli 2009 zu beiden verbundenen Verfahren verhandelt habe. Der Beschwerdegegner hat ebenfalls Erinnerung eingelegt und sich hinsichtlich der Nrn. 3103 und 3106 VV-RVG auf die Ausführungen der UKB bezogen. Nicht streitig sei die Höhe des Tages- und Abwesenheitsgeldes. Die Pauschale nach Nr. 7002 VV-RVG komme nur in Höhe von 20 v.H. der Gebühren und damit 17,00 Euro in Betracht.

Mit Beschluss vom 12. Januar 2011 hat das Sozialgericht die Vergütung auf 142,86 Euro festgesetzt. Die Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG betrage 85,00 Euro. Der Umfang der Tätigkeit der Beschwerdeführerin sei im Vergleich zu anderen sozialgerichtlichen Verfahren unterdurchschnittlich, die Bedeutung für die Klägerin überdurchschnittlich und die Schwierigkeit leicht unterdurchschnittlich gewesen. Eine Terminsgebühr komme nicht in Betracht, weil bis zur Verbindung keine mündliche Verhandlung stattgefunden habe. Die Pauschale nach Nr. 7002 VV-RVG betrage maximal 20 v.H. der Gebühr, hier somit 17,00 Euro. Die Fahrtkosten und das Abwesenheitsgeld seien nicht zu beanstanden.

Gegen den am 28. Januar 2011 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 9. Februar 2011 Beschwerde eingelegt und vorgetragen, das Sozialgericht habe eine leicht unterdurchschnittliche Tätigkeit nicht begründet. Zu berücksichtigen sei tatsächlich auch das erforderliche Sachgespräch mit der Klägerin, das Aktenstudium sowie das Studium von Fachliteratur und Rechtsprechung. Eine Terminsgebühr sei zu erstatten, denn die Sach- und Rechtslage des Verfahrens sei in dem Termin am 27. Juli 2009 erörtert worden.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Meiningen vom12. Januar 2011 aufzuheben und die aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren auf 485,58 Euro festzusetzen.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf seinen Antrag im Erinnerungsverfahren und den Beschluss des Sozialgerichts Meiningen.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 28. März 2011) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt. Der Senatsvorsitzende hat das Verfahren mit Beschluss vom 6. Juli 2011 dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen.

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