Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Studenten. Ausbildungsförderung. abstrakte Förderungsfähigkeit. Überschreitung der Höchstförderungsdauer bzw Regelstudienzeit. Vorliegen eines besonderen Härtefalls
Orientierungssatz
1. Ist ein Studiengang für sich gesehen förderungsfähig gem § 2 Abs 1 S 1 Nr 6 BAföG, so greift der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 S 1 SGB 2 auch, wenn der Student wegen Überschreitung der Regelstudienzeit und Ablauf der Förderungshöchstdauer keine Ausbildungsförderung mehr erhält.
2. Trotz Ausschluss des erwerbsfähigen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 7 Abs 5 SGB 2, können andere Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (zB Kinder) Anspruch auf Leistungen nach SGB 2 haben.
3. Im Hinblick auf die das SGB 2 prägenden Grundsätze des Forderns und Förderns kann die Rechtsprechung des BVerwG zu § 26 BSHG nicht ohne weiteres zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des "besonderen Härtefalls" nach § 7 Abs 5 S 2 SGB 2 übernommen werden.
4. Ein besonderer Härtefall iS des § 7 Abs 5 S 2 SGB 2 ist daher auch dann anzunehmen, wenn wegen der Ausbildungssituation Bedarf an Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes entstanden ist, der nach den Vorschriften des SGB 3 oder dem BAföG nicht abgedeckt werden kann und deswegen zu befürchten ist, die vor dem Abschluss stehende Ausbildung werde nicht beendet, und damit drohe das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit bei fortbestehender Hilfebedürftigkeit.
Tenor
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 17. Dezember 2007 abgeändert.
Die Beschwerdegegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Beschwerdeführerin zu 1) für die Zeit vom 5. August 2008 bis 31. Januar 2009 vorläufig bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren darlehensweise Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Beschwerdegegnerin trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführer.
Den Beschwerdeführern wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin K., bewilligt.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Eilverfahrens über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.
Die 1980 geborene Beschwerdeführerin zu 1) studiert seit dem Wintersemester 1999/2000 Rechtswissenschaften an der F.-Universität J. Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) erhielt sie bis zum Erreichen der Förderungshöchstdauer im März 2004.
Nach dem sie im Dezember 2004 von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte, beantragte sie am 18. Februar 2005 Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 2. Mai 2005 bewilligte die Beschwerdegegnerin vom 18. Februar bis 31. Juli 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Die Fortzahlungsanträge beschied sie - unter Einbeziehung des im August 2005 geborenen Beschwerdeführers zu 2) und den damit verbundenen Mehrbedarf für Alleinerziehende - in der Folge positiv (Leistungszeiträume vom 1. August 2005 bis 31. Januar 2007).
Im Dezember 2006 beantragten die Beschwerdeführer die Fortzahlung der Leistungen über den 31. Januar 2007 hinaus. Mit Schreiben vom 17. Januar 2007 hörte die Beschwerdegegnerin sie nach § 24 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zu einer beabsichtigten Leistungsaufhebung mit Wirkung zum 1. Oktober 2006 an. Das Studium der Beschwerdeführerin zu 1) sei nach den Bestimmungen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig. Insoweit sei sie nach § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Aus dem gleichen Grund lehnte sie mit Bescheid vom 17. Januar 2007 die Fortzahlung von Leistungen über den 31. Januar 2007 hinaus ab.
Die Beschwerdeführer legten dagegen Widerspruch ein und ließen sich zur Anhörung ein. In der Folge sah die Beschwerdegegnerin wegen des Vertrauensschutzes der Beschwerdeführer von der Erstattung überzahlter Leistungen ab und bewilligte für die Zeit vom 1. Februar 2007 bis 31. Juli 2007 einen Mehrbedarf für Alleinerziehende (vgl. die Bescheide vom 3. April 2007).
Am 21. Juni 2006 beantragten die Beschwerdeführer die Fortzahlung der Leistungen. Dem formularmäßigen Antrag fügten sie eine Bescheinigung des Studentenwerkes Thüringen bei, wonach die Beschwerdeführerin zu 1) grundsätzlich keinen Anspruch auf Leistungen nach dem BAföG habe. Mit Bescheid vom 25. Juli 2007 bewilligte die Beschwerdegegnerin für die Monate August 2007 bis Januar 2008 erneut den Mehrbedarf für Alleinerziehende. Ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bestehe dagegen nicht. Der Beschwerdeführer zu 2) könne seinen Bedarf aus Unterhalt, Kinder- und anteiligem Wohngeld decken. Die Beschwerdeführerin zu 1) sei nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Leben...