Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. einstweiliges Rechtsschutzverfahren. fiktive Terminsgebühr
Leitsatz (amtlich)
Die fiktive Terminsgebühr nach Nr 3106 VV-RVG fällt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht an (vgl LSG Schleswig vom 10.9.2009 - L 1 B 158/09 SK E = AGS 2010, 23).
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 11. Juli 2011 wird zurückgewiesen.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
In dem Verfahren Az.: S 39 AS 4705/09 ER beantragten die von dem Beschwerdeführer vertretenen Antragsteller - eine Bedarfsgemeinschaft von fünf Personen - am 21. Dezember 2009 beim Sozialgericht Altenburg, die Antragsgegnerin - eine ARGE SGB II - im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen höhere Leistungen zur Grundsicherung und Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren. Zur Begründung gaben sie an, Ihnen werde Kindergeld in nicht bezogener Höhe angerechnet. Am 23. Dezember 2009 erkannte die Beklagte das Begehren hinsichtlich des Kindergelds für J. G. an. Am 28. Dezember nahm der Beschwerdeführer das Anerkenntnis an. Mit Beschluss vom 30. Dezember 2009 gewährte das Sozialgericht den Antragstellern PKH und ordnete den Beschwerdeführer bei. Am 7. Januar 2010 erklärte die Antragsgegnerin die Übernahme der außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach.
In seiner Kostenrechnung vom 7. Januar 2010 ("Zahlung aus der Staatskasse") beantragte der Beschwerdeführer für das Antragsverfahren die Festsetzung von 749,70 Euro:
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Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG |
170,00 Euro |
Erhöhung Nr. 1008 VV-RVG |
340,00 Euro |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG |
100,00 Euro |
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG |
20,00 Euro |
Zwischensumme |
630,00 Euro |
Mehrwertsteuer |
119,70 Euro |
Gesamtbetrag |
749,70 Euro |
Auf den Hinweis der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB), dass die Gebühr Nr. 1008 VV-RVG überhöht sei, korrigierte er seine Kostenrechnung unter dem 17. Februar 2010:
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Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG |
170,00 Euro |
Erhöhung Nr. 1008 VV-RVG |
204,00 Euro |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG |
100,00 Euro |
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG |
20,00 Euro |
Zwischensumme |
494,00 Euro |
Mehrwertsteuer |
93,86 Euro |
Gesamtbetrag |
587,86 Euro |
Unter dem 26. März 2010 wies die UKB diese Zahlung an und forderte von der Antragsgegnerin die Überweisung von 587,86 Euro.
Am 12. April 2010 hat sie Erinnerung eingelegt und ausgeführt, die Terminsgebühr falle nicht an, weil nach der Systematik des RVG ein entsprechender Anspruch nur ausgelöst werde, wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden habe. Sie sei hier nicht zwingend erforderlich gewesen. Der Erinnerungsgegner hat unter dem 23. Juni 2010 beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen und den Beschwerdeführer beizuladen und sich zur Begründung auf den Senatsbeschluss vom 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF bezogen. Mit Beschluss vom 10. August 2010 hat das Sozialgericht den Beschwerdeführer nach § 75 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beigeladen.
Mit weiterem Beschluss vom 11. Juli 2011 hat es die an den Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten auf 468,86 Euro festgesetzt und die Beschwerde zugelassen. Eine fiktive Terminsgebühr sei nicht entstanden. Der Gebührentatbestand Nr. 3106 VV-RVG sei auf Verfahren beschränkt, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 11. Mai 2010 - Az.: L 6 AS 200/11 B, 5. Mai 2010 - Az.: L 7 AS 712/10 B, 29. November 2010 - Az.: L 19 B 91/09 AS, 9. Juli 2010 - A.: L 19 B 395/09 AS; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 10. September 2009 - Az.: L 1 B 158/09 SK E). Dies ergebe sich aus systematischen und teleologischen Gründen. Der entgegenstehenden Ansicht des erkennenden Senats im Beschluss vom 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF werde nicht gefolgt. Überdies sei es dort auf diese Frage nicht entscheidungserheblich angekommen. In der Rechtsmittelbelehrung heißt u.a. wie folgt "…Eine Beschwerde ist beim Sozialgericht Altenburg, Pauritzer Platz 1, 04600 Altenburg, nach Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen…".
Gegen den ihm am 10. August 2011 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 7. September 2011 Beschwerde eingelegt und ausgeführt, die Terminsgebühr könne auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes angesetzt werden.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 11. Juli 2011 aufzuheben und seine Vergütung auf 587,86 Euro festzusetzen.
Der Erinnerungsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 11. Juli 2011 aufzuheben und die Vergütung des Beschwerdeführers auf 587,86 Euro festzusetzen.
Zur Begründung verweist er auf seinen Antrag im Erinnerungsverfahren.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 4. November 2011) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt. Mit Beschluss vom 30. Januar 2012 hat der Senatsvorsitzende das Verfah...