Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfall und Höhe der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anfallenden Rechtsanwaltsgebühren
Orientierungssatz
1. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG ist in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bei einer leicht unterdurchschnittlichen rechtlichen Schwierigkeit der Streitsache, einer ebenso unterdurchschnittlichen tatsächlichen Schwierigkeit bei einem unstreitigen Sachverhalt, einem deutlich unterdurchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit und allenfalls durchschnittlicher Bedeutung für den Antragsteller auf 2/3 der Mittelgebühr festzusetzen.
2. Die Zuerkennung einer fiktiven Terminsgebühr kommt in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht in Betracht. Im einstweiligen Rechtsschutz kann der Anwalt eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht verhindern. Weil im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine mündliche Verhandlung grundsätzlich nicht erforderlich, fällt in einem Verfahren des Eilrechtsschutzes, das durch Beschluss entschieden wird, eine fiktive Terminsgebühr nicht an.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 15. Februar 2012 wird zurückgewiesen.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
In dem Verfahren Az.: S 28 AS 1429/10 ER beantragte die von dem Beschwerdeführer vertretene Antragstellerin am 3. März 2010 beim Sozialgericht Gotha, die Antragsgegnerin - eine ARGE SGB II - im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr einen Bescheid für die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu erteilen und Unterkunftskosten zu übernehmen sowie ihr Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren. Mit Beschluss vom 16. März 2010 gewährte das Sozialgericht der Antragstellerin PKH ab 12. März 2010 und ordnete den Beschwerdeführer bei. Mit Beschluss vom 23. März 2010 verpflichtete es die Antragsgegnerin, im Wege der einstweiligen Anordnung für den 3. bis 31. März 2010 weitere 70,33 Euro und für den Zeitraum 1. bis 30. April 2010 weitere 78,14 Euro als Zuschuss zu den ungedeckten Kosten der Unterkunft vorläufig zu bewilligen; im Übrigen wies es den Antrag ab. Die Antragsgegnerin habe der Antragstellerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
In seinem PKH - Kostenerstattungsantrag vom 12. April 2010 beantragte der Beschwerdeführer für das Antragsverfahren 559,30 Euro festzusetzen:
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Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG |
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250,00 Euro |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG |
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200,00 Euro |
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG |
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20,00 Euro |
Zwischensumme |
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470,00 Euro |
Mehrwertsteuer |
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89,30 Euro |
Gesamtbetrag |
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559,30 Euro |
Unter dem 9. September 2010 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) die Gebühren des Beschwerdeführers auf 341,53 Euro fest und führte aus, angemessen sei eine Verfahrensgebühr in Höhe von 2/3 der Mittelgebühr (167,00 Euro) und eine Terminsgebühr in Höhe der Hälfte der Mittelgebühr (100,00 Euro).
Am 21. September 2010 hat der Beschwerdeführer ohne Begründung Erinnerung eingelegt. Der Beschwerdegegner hat sich gegen sie gewandt und zur Begründung auf die Ausführungen der UKB verwiesen.
Das Sozialgericht hat die Erinnerung mit Beschluss vom 15. Februar 2012 zurückgewiesen und ausgeführt, insgesamt stünden dem Beschwerdeführer Gebühren in Höhe von 291,55 Euro zu; da der Beschwerdegegner keine Erinnerung eingelegt habe, gelte das Verschlechterungsverbot. Bei der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV-RVG sei zu berücksichtigen, dass die rechtliche Schwierigkeit leicht unterdurchschnittlich und die tatsächliche Schwierigkeit angesichts des unstreitigen Sachverhalts unterdurchschnittlich war. Mit zwei Schriftsätzen ohne Darlegung des geltend gemachten Anspruchs sei der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit deutlich unterdurchschnittlich gewesen. Allenfalls durchschnittlich sei die Bedeutung der Angelegenheit für die Antragstellerin. Ein relevantes Haftungsrisiko sei nicht ersichtlich. Die fiktive Terminsgebühr sei mit der halben Mittelgebühr angemessen berücksichtigt. Nachdem der Beschwerdegegner selbst keine Erinnerung eingelegt habe, verbleibe es angesichts des Verschlechterungsverbots bei der Festsetzung der UKB.
Gegen den ihm am 23. Februar 2012 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 27. Februar 2012 ohne Begründung Beschwerde eingelegt.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 15. Februar 2012 aufzuheben und seine Vergütung auf 559,30 Euro festzusetzen.
Der Erinnerungsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf den Beschluss der Vorinstanz.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 21. Juni 2012) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.
II.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebührenist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 15. März 2011 - Az.: L ...