Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Erinnerungsrecht der Staatskasse. Verfristung. Verwirkung. Beschwerde gegen Entscheidung über die Erinnerung. Anforderungen an Vortrag des Beschwerdeführers
Orientierungssatz
1. Zur Verfristung bzw Verwirkung des Erinnerungsrechts der Staatskasse.
2. Das Gericht ist bei einer Erinnerung nach §§ 56 Abs 2 S 1, 33 Abs 3 S 1 RVG in seiner Prüfung nicht an den Beteiligtenvortrag gebunden und prüft in der Sache umfassend. Ungeachtet dessen ist es Aufgabe des Beschwerdeführers, Sachverhalte, Kriterien oder Argumente, die er für nicht oder nicht zutreffend gewichtet erachtet, schlüssig vorzutragen und darzulegen.
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 31. August 2017 abgeändert und die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung für das Verfahren S 12 AS 622/08 auf 299,70 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung für das beim Sozialgericht Nordhausen anhängig gewesene Verfahren S 12 AS 622/08, in dem der Beschwerdeführer die Klägerin vertrat.
In dem Klageverfahren stritten die Klägerin und das Jobcenter um die Übernahme von Reisekosten nach § 31 Abs. 5, Abs. 3 Satz 6 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) hinsichtlich der Abholung von Lebensmittelgutscheinen. Im Rahmen eines Erörterungstermins am 13. Januar 2009 erklärten der Beschwerdeführer als Prozessbevollmächtigter der Klägerin und das Jobcenter, das Klageverfahren für erledigt. Mit Beschluss vom 23. Januar 2009 hat das Sozialgericht Nordhausen der Antragstellerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers bewilligt. Bereits vorab hatte es mit Beschluss vom 5. Januar 2015 festgelegt, dass die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten haben. Die Erledigungserklärung wurde als Rücknahmeerklärung gewertet.
Unter dem 30. Dezember 2012 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung folgender Gebühren für das Klageverfahren S 12 AS 622/08:
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Verfahrensgebühr Nrn. 3103, 3102 VV -30ige Erhöhung gem. § 7 RVG i.V.m. Nr. 1008 VV |
221,00 Euro |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV |
200,00 Euro |
Fahrtkosten (eigenes Kfz) Nr. 7003 VV (108,00 km á 0,30 Euro) |
32,40 Euro |
Dokumentenpauschale Nr. 7000 Nr. 1 VV (256 Seiten) |
55,90 Euro |
Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV (2,40 Stunden) |
20,00 Euro |
Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV |
20,00 Euro |
Zwischensumme |
549,30 Euro |
Umsatzsteuer |
104,37 Euro |
Endsumme |
653,67 Euro. |
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss (richtig Vergütungsfestsetzungsbeschluss) vom 23. August 2013 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) die dem Beschwerdeführer zu zahlende Vergütung auf 299,70 Euro fest (Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG 115,00 Euro, Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 100,00 Euro, Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro, Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG 8,10 Euro, Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG 8,75 Euro, Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 47,85 Euro).
Gegen diese Kostenfestsetzung hat zunächst die Klägerin vertreten durch den Beschwerdeführer Erinnerung eingelegt und beantragt, die Kosten gemäß Kostenansatz vom 30. Dezember 2012 festzusetzen.
Die Staatskasse als Erinnerungsgegner ist dem in ihrem Schriftsatz vom 5. September 2014 entgegen getreten. Die Festsetzung der dem beigeordneten Rechtsanwalt aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung in Höhe von 299,70 Euro sei nicht zu beanstanden. Weitergehende Ansprüche bestünden nicht. Zur Begründung wurde auf die Ausführungen in der Vergütungsfestsetzung vom 23. August 2013, “welchen ich mich anschließe„, verwiesen. Mit weiterem Schriftsatz vom 11. Februar 2015 hat die Staatskasse erneut auf ihre Ausführungen in der Stellungnahme vom 5. September 2014 verwiesen. Die Vergütungsfestsetzung vom 23. August 2013 sei nicht zu beanstanden. Es wurde zusätzlich darauf hingewiesen, dass die Erinnerung unzulässig sei, da sie im Namen der Klägerin eingelegt worden sei. Auf richterlichen Hinweis hat sodann der jetzige Beschwerdeführer als Prozessbevollmächtigter der Klägerin die Erinnerung mit Schriftsatz vom 26. Januar 2016 zurückgenommen.
Mit Schriftsatz vom gleichen Tage hat der Beschwerdeführer am 26. Januar 2016 im eigenen Namen Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. August 2013 eingelegt. Die Kosten seien wie beantragt festzusetzen. Die Verhandlung im Erörterungstermin habe 25 Minuten gedauert. Es liege ein durchschnittliches Verfahren vor.
Mit am 27. April 2017 beim Sozialgericht Nordhausen eingegangenem Schriftsatz hat der Beschwerdegegner nicht nur beantragt, die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen, sondern zugleich selbst gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. August 2013 Erinnerung eingelegt und darauf hingewiesen, dass Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit deutlich unterdurchschnittlich seien. Die Verfahrensgebühr sei lediglich...