Entscheidungsstichwort (Thema)
Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten ist unbefristet
Orientierungssatz
1. Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten ist nach § 56 Abs. 2 S. 1 RVG unbefristet.
2. Die Verwirkung gilt für alle Rechtsgebiete, auch im Kostenrecht. Sie findet aber nur in besonderen engen Ausnahmekonstellationen Anwendung.
3. Allein der Zeitablauf begründet nicht die Verwirkung. Sie kommt u. a. dann nicht in Betracht, wenn noch nicht einmal die im Sozialrecht allgemein geltende Verjährungsfrist von vier Jahren des § 45 SGB 1 abgelaufen ist.
Tenor
Die Beschwerden des Beschwerdeführers zu 1. und des Beschwerdegegners zu 1. gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 4. November 2016 (S 31 SF 106/16 E) werden zurückgewiesen. Die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 1. gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 4. November 2016 (S 31 SF 230/16 E) wird als unzulässig verworfen.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für das beim Sozialgericht (SG) Nordhausen anhängig gewesene Verfahren (S 36 AS 8360/11) der von den Beschwerdeführern zu 2. und dem Beschwerdegegner zu 1. (im Folgenden: Beschwerdegegner zu 1.) vertretenen Klägerin.
Die durch die Beschwerdegegner zu 1. vertretene Klägerin hatte sich mit ihrem Widerspruch gegen Mahngebühren der Beklagten, ausgewiesen in der Mahnung vom 7. November 2010, in Höhe von 0,77 € gewandt. Mit Bescheid vom 15. August 2011 hatte die Beklagte die Entscheidung über die Festsetzung der Mahngebühren aufgehoben; die Mahngebühren seien bereits am 15. November 2010 storniert worden. Damit sei dem Widerspruch in vollem Umfang abgeholfen. Die entstandenen notwendigen Aufwendungen könnten nach § 63 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) auf Antrag erstattet werden. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts werde nicht für notwendig anerkannt. Hiergegen erhoben die Beschwerdegegner zu 1. erneut Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2011 als unbegründet zurückwies. Im Widerspruchsverfahren gegebenenfalls entstandene notwendige Aufwendungen könnten nicht erstattet werden. Im Klageverfahren begehrte die Klägerin, vertreten durch die Beschwerdegegner zu 1., die Kostenentscheidung des Abhilfebescheides vom 15. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2011 dahingehend abzuändern, dass die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für notwendig erachtet werde. Nach Hinweis der Vorsitzenden vom 17. Juli 2012 teilten die Beschwerdegegner mit, sie stimmten einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zu. Mit Beschluss vom 3. September 2012 bewilligte das SG der Klägerin Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt Maurer ohne Kostenbeteiligung. Mit Urteil vom 25. September 2012 wies das SG die Klage ab. Hiergegen haben die Beschwerdegegner Nichtzulassungsbeschwerde beim Thüringer Landessozialgericht (L 9 AS 1809/12 NZB) eingelegt, die mit Beschluss vom 11. April 2013 zurückgewiesen wurde.
Mit Kostenrechnung vom 14. November 2012 beantragten die Beschwerdegegner zu 1. folgende Gebühren und Auslagen nach §§ 3, 14, 49 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) festzusetzen:
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Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG |
170,00 € |
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG |
20,00 € |
Zwischensumme |
190,00 € |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG |
36,10 € |
Gesamtbetrag |
226,10 € |
Am 18. Dezember 2012 veranlasste die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) die Auszahlung dieses Betrages an die Beschwerdeführer.
Mit Kostenrechnung vom 23. Oktober 2014 beantragten die Beschwerdegegner zu 1. im Wege der Nachfestsetzung folgende Vergütung nach §§ 3, 14, 49 RVG für das Klageverfahren S 36 AS 8360/11 festzusetzen:
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Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG |
200,00 € |
Zwischensumme |
200,00 € |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG |
38,00 € |
Gesamtbetrag |
238,00 € |
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss (richtig: Vergütungsfestsetzungsbeschluss) vom 11. November 2014 lehnte die UdG den Antrag auf Nachfestsetzung und Erstattung aus der Staatskasse ab.
Hiergegen legten die Beschwerdegegner zu 1. Erinnerung ein (S 31 SF 230/15 E) und beantragte die Festsetzung der zu erstattenden Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 1 VV RVG in Höhe von 200,00 €. Der Beschwerdegegner zu 2. und Beschwerdeführer zu 1. (im Folgenden: Beschwerdeführer zu 1.) ist dem nur insoweit entgegengetreten, als die Terminsgebühr maximal in Höhe von ¼ der Mittelgebühr (50,00 €) angemessen sei. Er legte am 29. September 2015 gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 18. Dezember 2012 Erinnerung (S 31 SF 106/16 E) ein, die das SG gesondert erfasste. Beanstandet werde die Höhe der festgesetzten Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG in Höhe der Mittelgebühr. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien weit unterdurchschnittlich. Es sei lediglich einer ca. 2 ½-seitige Klageschrift gefertigt worden, wie sie in einer Vielzahl von Verfahren der gleichen Art gefertigt worden sei, so da...