Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwaltsvergütung: Vergütung im sozialgerichtlichen Verfahren. fiktive Termingebühr und Erledigungsgebühr bei Klagerücknahme und teilweiser Erledigung des Verfahrens

 

Orientierungssatz

1. Bei einem rentenrechtlichen Streit um die Anerkennung von Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung liegt im Regelfall keine weit überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit vor, sodass die Zumessung einer Höchstgebühr im anzuwendenden Betragsrahmen als Verfahrensgebühr des Rechtsanwalts nicht in Betracht kommt.

2. Wurde in einem sozialgerichtlichen Verfahren lediglich eine teilweise Erledigung bzw. ein Teilanerkenntnis erreicht und die Klage im Übrigen zurückgenommen, steht dem Rechtsanwalt eine fiktive Termingebühr nicht zu.

3. Wurde nach Erlass eines Bescheides im laufenden sozialgerichtlichen Verfahren eine Teilerledigungserklärung und im Übrigen eine Klagerücknahme erklärt, so entsteht daraus für den Rechtsanwalt ein Anspruch auf eine Erledigungsgebühr.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 29. November 2017 sowie der Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 31. August 2015 abgeändert. Die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung des Beschwerdeführers für das Verfahren S 17 R 3247/14 wird auf 737,80 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

Zuständig für die Entscheidung ist nach dem aktuellen Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landessozialgerichts i.V.m. dem Geschäftsverteilungsplan des 1. Senats der Berichterstatter des Senats.

Anzuwenden ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der ab dem 1. August 2013 geltenden Fassung, denn die Beiordnung des Rechtsanwalts ist nach diesem Zeitpunkt erfolgt (§ 60 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Beschwerde ist nach § 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft und zulässig. Der Beschwerdewert übersteigt 200,00 EUR. Die Beschwerde ist nur zum Teil begründet.

Der Beschwerdeführer begehrt mit seiner Beschwerde eine höhere Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG als Höchstgebühr (hierzu 1.). Weiter begehrt er die Gewährung einer fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG (hierzu 2.) sowie einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005, 1002 VV RVG (hierzu 3.) jeweils unter Festsetzung der Höchstgebühr.

1. Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach herrschender Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R m.w.N., Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 26. November 2014 - L 6 SF 1079/14 B m.w.N., jeweils nach juris). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 14. Februar 2011 - L 6 SF 1376/10 B, nach juris); dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.

Dem Beschwerdeführer steht die Verfahrensgebühr nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Nr. 3102 VV RVG in Höhe der Mittelgebühr (300,00 Euro) zu. Die Feststellungen des Sozialgerichts hierzu sind nicht zu beanstanden. Auf die zutreffenden Gründe des Sozialgerichts wird in entsprechender Anwendung des § 142 Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verwiesen. Insbesondere liegt nur eine (leicht) überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit vor. Die geforderte Höchstgebühr kommt hingegen dann in Betracht, wenn entweder alle Umstände für diese Erhöhung sprechen oder bestimmte Umstände (z.B. die Schwierigkeit) so erheblich sind, dass sie alle anderen Gesichtspunkte überwiegen (Kompensationstheorie). Die vom Beschwerdeführer behauptete erhebliche Bedeutung der Sache für den Kläger ist nicht gegeben. Eine Konstellation wie z.B. bei einer begehrten Dauerrente, für die die Rechtsprechung eine weit überdurchschnittliche Bedeutung angenommen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 3. September 2018 - L 1 SF 628/17 B, Rn. 18 nach juris), liegt nicht vor. Es geht vorliegend vielmehr um die Anerkennung von Beitragszeiten, ohne dass die Rente als solches im Streit steht. Im Übrigen würde auch allein die überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger nicht die Festsetzung der Höchstgebühr rechtfertigen (vgl. Senatsbeschluss vom 3. September 2018 - L 1 SF 628/17...

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