Verfahrensgang
SG Gotha (Urteil vom 22.06.2004; Aktenzeichen S 20 KR 1653/04) |
Tenor
Die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 22. Juni 2004 (Az.: S 20 KR 1653/04) wird ausgesetzt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im Hauptsacheverfahren (Az.: L 6 KR 620/04) darüber, ob der Kläger berechtigt war, seine am 8. Februar 2004 beantragte und am 1. April 2004 begonnene Mitgliedschaft bei der Beklagten durch Sonderkündigung zum 30. Juni 2004 zu beenden und ob die Beklagte zur Ausstellung einer Kündigungsbestätigung verpflichtet ist.
Der Kläger beantragte unter dem 8. Februar 2004 ab 1. April 2004 die Mitgliedschaft bei der Beklagten. Diese fusionierte zu diesem Zeitpunkt mit der Betriebskrankenkasse Braunschweig und setzte in § 34 ihrer neuen Satzung einen neuen allgemeinen Beitragssatz (13,8 v.H. lt. Satzung) fest.
Mit Schreiben vom 9. April 2004 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten, er kündige die Mitgliedschaft zum 30. Juni 2004. Da seine Mitgliedschaft noch keine 18 Monate bestehe, mache er von seinem Sonderkündigungsrecht nach § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V Gebrauch und bitte um Kündigungsbestätigung innerhalb der nächsten 14 Tage.
Mit Schreiben vom 22. April 2004 lehnte die Beklagte die Kündigung ab; ein Sonderkündigungsrecht bestehe nicht. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2004 zurück.
Mit der Klageerhebung hat der Kläger vorgetragen, sowohl die ihm übersandten Unterlagen als auch die Informationen im Internet hätten einen Beitragssatz der Beklagten von 12,8 v.H. beinhaltet. Erst Anfang April 2004 habe er von der Beitragserhöhung erfahren. Er werde sich nach dem Ausgang des Verfahrens bei der BKK O. versichern, die Beiträge in Höhe von 13,4 v.H. erhebe (Schriftsatz vom 17. Juni 2004).
Mit Urteil vom 22. Juni 2004 hat das Sozialgericht unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 22. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2004 festgestellt, dass der Kläger berechtigt war, die Mitgliedschaft zum 30. Juni 2004 zu kündigen und die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Kündigungsbestätigung auszustellen. Diesem stehe ein Sonderkündigungsrecht nach § 175 Abs. 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zu, nachdem er die Kündigung erklärt und für die Mitglieder bei dem Vergleich von altem und neuem Beitragssatz eine Erhöhung zum 1. April 2004 vorliege. Die Verpflichtung zur Ausstellung der Kündigungsbestätigung ergebe sich aus § 175 Abs. 4 Satz 3 SGB V.
Gegen das Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt (Az.: L 6 KR 620/04) und beantragt,
die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 22. Juni 2004 durch einstweilige Anordnung nach § 199 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auszusetzen.
Der Kläger beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Er ist der Ansicht, eine Aussetzung komme nur dann in Betracht, wenn das Rechtsmittel offensichtlich Aussicht auf Erfolg habe. Dies sei hier nicht der Fall.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung ist zulässig und begründet.
Hat ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung, kann der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen (§ 199 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫). Nach Satz 2 kann er die Aussetzung und Vollstreckung von einer Sicherheitsleistung abhängig machen; die §§ 108, 109, 113 der Zivilprozessordnung (ZPO) gelten entsprechend.
Der Antrag ist statthaft. Die Berufung hatte keine aufschiebende Wirkung (§§ 154, 86a SGG) und ein vollstreckbarer Titel liegt vor.
Das Sozialgericht hat ein Urteil mit Feststellungs- (Berechtigung der Kündigung) und Verpflichtungstenor (Ausstellung der Bestätigung) erlassen. Vollstreckbar ist jedenfalls letzterer nach §§ 201, 131 Abs. 2 SGG. Die Bescheinigung ist – ebenso wie eine Mitgliedsbescheinigung (vgl. Hauck in Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, SGB V, Stand: August 2004, K § 175 Rdnr.9) – ein Verwaltungsakt mit feststellender (nicht konstitutiver) Wirkung und hat trotz des engen Zusammenhangs mit der Feststellung wegen ihrer Bedeutung (Voraussetzung für die Ausstellung einer Mitgliedsbescheinigung nach § 175 Abs. 2 Satz 2 SGB V) einen eigenständigen Charakter. Die Beklagte ist auch antragsbefugt; es ist nicht auszuschließen, dass der Kläger einen Antrag nach § 201 SGG stellt.
Der Antrag ist auch begründet. Die Entscheidung liegt nach dem Wortlaut der Vorschrift („kann”) im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden (so Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 26. November 1991 – Az.: 1 RR 10/91 in: USK 91155; BSG vom 6. Mai 1960 – Az.: 11 RV 92/60 in: BSGE 12, 138; wohl auch BSG vom 5. September 2001 – Az.: B 3 KR 47/01 R, nach juris; st. Rspr. des erkennenden Senats, vgl. u.a. Beschlüsse vom 2. Juli 2004 – Az.: L 6 KR 526/04 ER, 12. November 2003 – Az.: L 6 RJ 553/03 ER und 15. Oktober 2003 – Az.: L 6 RJ 800/03 ER; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 7. Auflage 2002, § 199 Rdnr. 8 m.w.N.; Rohwer-Ka...