Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Gerichtskostenfreiheit für Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Haftung für die Gerichtskosten

 

Leitsatz (amtlich)

§ 197a Abs 3 SGG ist nicht lex specialis gegenüber § 64 Abs 3 S 2 SGB 10.

 

Normenkette

GKG § 2 Abs. 3, 5 S. 1, § 29 Nr. 1; SGB X § 64 Abs. 3 S. 2; SGG § 197a Abs. 1, 3

 

Tenor

Auf die Beschwerde werden der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 17. Dezember 2014 und die Feststellung der Gebührenschuld vom 15. Januar 2014 zum Aktenzeichen S 38 AS 134/12 aufgehoben.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Im Klageverfahren S 38 AS 134/12 begehrte der Kläger, Inhaber einer privaten Arbeitsvermittlung, die Zahlung einer Vergütung aus einem Vermittlungsgutschein des beklagten Jobcenters (= Beschwerdeführer). Mit Urteil vom 26. September 2013 verpflichtete die 38. Kammer des Sozialgerichts Altenburg den Beschwerdeführer unter Aufhebung seiner Bescheide zur Zahlung einer Vergütung von 1.000 Euro an den Kläger. Er habe die Kosten des Rechtsstreits zu zahlen. Der Streitwert wurde auf 1.000 Euro festgesetzt. Dagegen wurde kein Rechtsmittel eingelegt. Unter dem 15. Januar 2014 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) Kosten in Höhe von 165,00 Euro (KV Nr. 7110, 3 Verfahrensgebühren) gegen den Beschwerdeführer fest.

Dagegen hat dieser Erinnerung eingelegt und vorgetragen, er sei nach dem Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 28. September 2011 - L 9 AS 1932/10 als Träger der Grundsicherung von den Gerichtskosten befreit. Dies gelte auch bei einer Auferlegung der Kosten des Verfahrens durch gerichtliche Entscheidung. Mit Beschluss vom 17. Dezember 2014 hat das Sozialgericht Altenburg die Erinnerung zurückgewiesen und die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 197a Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) seien nur die Träger der Sozialhilfe, nicht aber die Träger der Grundsicherung von der Zahlung der Gerichtskosten befreit. Sie sei die speziellere Rechtsvorschrift gegenüber § 64 Abs. 3 S. 2 des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch (SGB X).

Dagegen hat der Beschwerdeführer am 19. Januar 2015 Beschwerde eingelegt und seine Rechtsansicht vertieft. Der Beschwerdegegner ist dem entgegen getreten und hat zur Begründung auf den Beschluss des Sozialgerichts verwiesen.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 20. Januar 2014) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt. Mit Beschluss vom 17. März 2015 hat der Senatsvorsitzende das Verfahren dem Senat übertragen.

II.

Die Beschwerde ist statthaft und wegen der Zulassung im Beschluss der Vorinstanz auch zulässig  (§ 66 Abs. 2 S. 2 des Gerichtskostengesetzes ≪GKG≫).

Die Beschwerde ist begründet. Dem Beschwerdeführer wurden im Urteil vom 26. September 2013 zu Unrecht “die Kosten des Rechtsstreits„ nach § 197a Abs. 1 SGG, § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auferlegt. Zu ihnen gehören nach § 162 Abs. 1 VwGO nicht nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten (also vor allen die Rechtsanwaltsvergütung), sondern auch die hier streitigen Gerichtskosten.

Nicht beachtet hatte das Sozialgericht, dass der Beschwerdeführer nach § 2 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in Verbindung mit § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X von den Gerichtskosten befreit war. Dieses Ergebnis hätte im Tenor eigentlich aufgenommen werden müssen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. September 2011 - L 9 AS 1932/10, nach juris; Groth “Gerichtskostenfreiheit von Sozialhilfe- und Grundsicherungsträgern im sozialgerichtlichen Verfahren„ in SGb 2007, 536, 538).

Nach § 3 GKG sind in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit der Bund und die Länder von der Zahlung der Kosten befreit (Absatz 1 S. 1), sonstige bundesrechtliche Vorschriften, durch die vor ihnen eine sachliche oder persönliche Befreiung von Kosten gewährt ist, bleiben unberührt (Absatz 3 S. 1). Die persönliche Befreiung des Beschwerdeführers (vgl. BSG, Beschluss vom 11. Juni 2008 - B 8 SO 45/07 B, nach juris) regelt § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X. Danach sind in Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit die Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende - wie hier der Beschwerdeführer - von den Gerichtskosten befreit. Wegen des ausdrücklichen Verweises in § 2 Abs. 3 GKG ist § 197a Abs. 3 SGG nicht “lex specialis„, wie die Vorinstanz angenommen hat.

Eine Haftung des Beschwerdeführers für die Gerichtskosten nach § 29 Nr. 1 GKG scheidet allerdings trotz der Rechtskraft des Urteils vom 26. September 2013 aus, denn nach § 2 Abs. 5 S. 1 1. Halbs. GKG sind Verfahrenskosten nicht zu erheben, wenn sie - wie hier geschehen - einem von den Kosten Befreiten auferlegt worden sind (vgl. Groth “Gerichtskostenfreiheit von Sozialhilfe- und Grundsicherungsträgern im sozialgerichtlichen Verfahren„ in SGb 2007, 536, 538).

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).

Eine Beschwerde an d...

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