Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. "dieselbe Angelegenheit" iS des Gebührenrechts. Individualansprüche nach dem SGB 2. Bedarfsgemeinschaft. Erhöhungsgebühr. einheitlicher Lebenssachverhalt. getrennte Klageverfahren
Orientierungssatz
1. Von derselben Angelegenheit iS des § 15 Abs 2 S 1 RVG wird regelmäßig dann ausgegangen, wenn zwischen den weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen ein innerer Zusammenhang gegeben ist, also ein einheitlicher Auftrag und ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vorliegt. Dies gilt auch für Individualansprüche nach dem SGB 2; die Konstellation der Bedarfsgemeinschaft löst lediglich eine Erhöhungsgebühr nach Nr 1008 RVG-VV aus (vgl ua BSG vom 2.4.2014 - B 4 AS 27/13 R = SozR 4-1935 § 15 Nr 1).
2. Entscheidend ist, ob ein einheitlicher Lebenssachverhalt vorliegt (vgl BSG vom 2.4.2014 - B 4 AS 27/13 R aaO und LSG Erfurt vom 6.11.2014 - L 6 SF 1022/14 B).
3. Auch bei getrennten Klageverfahren kann "dieselbe Angelegenheit" vorliegen (vgl LSG Erfurt vom 11.1.2018 - L 1 SF 1406/15 B = AGS 2018, 213).
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 20. September 2016 (S 22 SF 990/13 E) aufgehoben und die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung des Beschwerdeführers für das Verfahren S 33 AS 769/09 auf 420,75 € festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwalts-vergütung.
In dem beim Sozialgericht Nordhausen (SG) anhängig gewesenen Verfahren (S 33 AS 770/09) vertrat der Beschwerdeführer den Kläger, in dem Verfahren (S 33 AS 769/09) die Klägerin, die Ehefrau des Klägers.
Die Klägerin hatte sich mit der am 4. März 2009 per Fax beim SG um 17:34 Uhr eingegangenen Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 12. Februar 2008 (teilweise Aufhebung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB II≫ für die Zeit vom 1. bis 31. Mai 2007 nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch ≪SGB X≫ wegen Umzugs der Bedarfsgemeinschaft in einen anderen Zuständigkeitsbereich - Erstattungsforderung 377,50 Euro) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Februar 2009 (W 963/08) gewandt. Zur Begründung führte der Beschwerdeführer aus, grundsätzlich genieße die Klägerin Vertrauensschutz. Sie habe die Beklagte bereits am 18. April 2007 über den Umzug am 1. Mai 2007 in Kenntnis gesetzt. Sie sei daher ihrer Pflicht nach § 60 Abs. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) ordnungsgemäß nachgekommen. Zudem seien ihr ohnehin zu geringe Leistungen der Unterkunft und Heizung (KdU) bewilligt worden. Darüber hinaus sei die Rundungsregelung des § 41 Abs. 2 SGB II zulasten der Klägerin vor Erlass des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides nicht berücksichtigt worden. Dies verringere ohnehin den Erstattungsbetrag. Mit Schriftsatz vom 20. März 2009 übersandte er auf Anforderung des Gerichts diverse Bewilligungsbescheide. Mit Schriftsatz vom 6. März 2009 führte er ergänzend aus, die Argumentation in der Hauptsache begründe sich auf Vertrauensschutz. Darüber hinaus beziehe sich der erhöhte Leistungsanspruch bezüglich der zu geringen KdU auf den gesamten Bewilligungszeitraum und nicht nur auf Mai 2007. Mit Schriftsatz vom 2. März 2012 wandte er sich gegen die durch das SG beabsichtigte Beiladung des Jobcenters. Mit Beschluss vom 30. Oktober 2009 bewilligte das SG der Klägerin Prozesskostenhilfe (PKH) und ordnete den Beschwerdeführer bei.
In dem Verfahren (S 33 AS 770/09) hatte sich der Kläger mit der am 4. März 2009 per Fax um 17:32 Uhr eingegangenen Klage gegen den an ihn gerichteten Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 12. Februar 2008 (teilweise Aufhebung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB II≫ für die Zeit vom 1. bis 31. Mai 2007 nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X wegen Umzugs der Bedarfsgemeinschaft in einen anderen Zuständigkeitsbereich - Erstattungsforderung 377,50 Euro) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2009 (W 962/08) gewandt und begehrte ebenso wie die Klägerin - mit identischer Begründung - die Aufhebung dieses Bescheides bzw. die Reduzierung der Rückforderung. Mit Beschluss vom 30. Oktober 2009 bewilligte das SG dem Kläger PKH unter Beiordnung des Beschwerdeführers.
Am 21. März 2012 verhandelte das SG neben den oben genannten Verfahren des Klägers und der Klägerin, ein weiteres Verfahren der Kläger in einer 98 Minuten dauernden Verhandlung. Die Vorsitzende der 33. Kammer wies auf rechtliche Gesichtspunkte hin, die einer Aufhebung der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Vergangenheit entgegenstehen könnten. Daraufhin verpflichtete sich die Beklagte, die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 12. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. F...