Entscheidungsstichwort (Thema)

Entstehen einer Erledigungsgebühr bei Annahme eines Anerkenntnisses im sozialgerichtlichen Verfahren

 

Orientierungssatz

1. Eine Erledigungsgebühr kommt bei Annahme eines Anerkenntnisses nur dann in Betracht, wenn sich der Rechtsstreit durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt hat. Dies setzt eine qualifizierte besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts voraus. Diese muss kausal für die Erledigung des Rechtsstreits gewesen sein.

2. Eine rein formale Annahme eines Anerkenntnisses führt zwar zur Erledigung des Rechtsstreits, beinhaltet aber nicht die über die normale Prozessführung hinaus gehende qualifizierte Mitwirkung an der Erledigung.

3. Der Gebührentatbestand der Erledigungsgebühr soll eine zusätzlich erfolgende streitvermeidende Tätigkeit des Rechtsanwalts fördern und damit eine gerichtsentlastende Wirkung herbeiführen. Erst eine solche qualifizierte Mitwirkung des Rechtsanwalts begründet das Entstehen einer zusätzlich zur Verfahrensgebühr festzusetzenden Erledigungsgebühr.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 4. April 2011 wird zurückgewiesen.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Verfahren vor dem Sozialgericht Altenburg streitig (Az.: S 26 AS 1915/07).

Mit Bescheid vom 8. April 2007 hob die Beklagte, eine ARGE SGB II, gegenüber dem Kläger ihren Bescheid über die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. März bis 30. April 2006 teilweise in Höhe von 108,80 Euro auf und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2007 zurück, soweit er nicht die Aufrechnung mit den laufenden Leistungen betraf. Mit seiner am 16. Juli 2007 erhobenen Klage wandte sich der Kläger gegen den Abzug von 35 v.H. des täglichen Regelbedarfs wegen ersparter persönlicher Verpflegungsaufwendungen während seiner stationären Behandlung in der Zeit vom 22. März bis 19. April 2006. Mit Beschluss vom 18. Oktober 2007 gewährte ihm das Sozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Beschwerdeführerin ab 16. Juli 2007.

Auf Anfrage der Kammervorsitzenden, ob die Beklagte aufgrund des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18. Juni 2008 - Az.: B 14 AS 22/07 R ihren Bescheid abändere, hob diese unter dem 29. Oktober 2008 den angefochtenen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids auf. Das Anerkenntnis nahm die Beschwerdeführerin für den Kläger am 20. November 2008 an und erklärte die Hauptsache für erledigt. Unter dem 27. Januar 2009 erklärte sich die Beklagte zur Übernahme der notwendigen außergerichtlichen Kosten bereit.

Mit Verfügung vom 14. November 2007 hatte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) antragsgemäß einen Vorschuss in Höhe von 321,30 Euro festgesetzt. Auf den weiteren Antrag auf Vorschuss vom 20. November 2008 verfügte sie am 26. November 2008 die Festsetzung von 238,00 Euro und teilte am 23. Februar 2009 der Beklagten mit, die Kosten seien "gem. § 55 Abs. 1 RVG auf 559,30 € festgesetzt" worden; es werde um Erstattung gebeten. Am 12. März 2010 reichte die Beschwerdeführerin ihre Kostenrechnung vom 10. März 2010 ein und begehrte die Festsetzung folgender Gebühren und deren Überweisung:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG

250,00 Euro

Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG

200,00 Euro

Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG

190,00 Euro

Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG

 20,00 Euro

Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV-RVG

 18,00 Euro

Zwischensumme

678,00 Euro

Mehrwertsteuer

128,82 Euro

Gesamtbetrag

806,82 Euro

abzüglich erhaltene Zahlung

580,72 Euro

226,10 Euro

Mit Beschluss vom 20. April 2010 setzte die UKB die aus der "Landeskasse (richtig: Staatskasse) noch zu zahlende Vergütung" auf 21,42 Euro fest. Zur Begründung gab sie an, die Erledigungsgebühr komme bei Annahme eines Anerkenntnisses mangels qualifizierter anwaltlicher Mitwirkung nicht in Betracht. Zusätzlich seien die Dokumentenpauschale und die Mehrwertsteuer zu zahlen.

Am 19. Mai 2010 hat die Beschwerdeführerin "insbesondere gegen die Absetzung der Erledigungsgebühr" und die darauf entfallende Mehrwertsteuer Erinnerung eingelegt und sich zur Begründung auf den Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) vom 30. Juli 2008 - Az.: L 6 B 337/08 AS-KO bezogen. Der Beschwerdegegner ist ihr entgegengetreten und hat auf die Ausführungen der UKB im Beschluss vom 20. April 2010 verwiesen.

Mit Beschluss vom 4. April 2011 hat das Sozialgericht Altenburg die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf 580,72 Euro festgesetzt und die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Zu Recht sei die Erledigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005, 1002 VV-RVG abgesetzt worden, denn es fehle an einem besonderen kausalen Bemühen der Beschwerdeführerin an einer unstreitigen Verfahrenserledigung. Bereits das Wort "Mitwirkung" bedeute nach dem Sprachgebrauch mehr als die bloße "Anwesenheit", "Einschaltung" oder "Hinzuziehung"...

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