Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. kein automatische Erhöhung von pauschalen Mindestgebührensätzen nach Anzahl der betroffenen Bescheide

 

Leitsatz (amtlich)

Die Rechtsansicht, dass pauschale Mindestgebührensätze ohne Begründung und deren Erhöhung automatisch nach der Anzahl der betroffenen Bescheide festzusetzen sind, widerspricht der eindeutigen gesetzlichen Regelung, wonach die Bestimmung der Gebühr im Einzelfall nach den Kriterien des § 14 Abs 1 S 1 RVG zu erfolgen hat.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 29. April 2016 (S 13 SF 1424/14 E) aufgehoben und die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung des Beschwerdegegners für das Verfahren S 30 AS 4709/11 auf 343,79 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung für das beim Sozialgericht Nordhausen anhängig gewesene Verfahren S 30 AS 4709/11 in dem der Beschwerdegegner den Kläger vertrat.

Gegenstand der am 17. Juni 2011 erhobenen Klage waren die Verletzung des Rechts auf Gewährung von Akteneinsicht durch die Beklagte und die Aufhebung des Sanktionsbescheides vom 17. Februar 2011 (Absenkung des Arbeitslosengeldes II nach § 31 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch ≪SGB II≫ für den Zeitraum vom 1. März bis 31. Mai 2011 auf die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung wegen Nichtteilnahme an einer Maßnahme und Aufhebung des Bescheids vom 10. Februar 2011) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2011. Zur Begründung führte der Beschwerdegegner aus, die Absenkungsentscheidung sei weder dem Grunde, noch der Höhe nach vollständig nachvollziehbar. Die von dem Kläger geforderte Maßnahme sei nicht geeignet, nach deren Abbruch Grundsicherungsleistungen abzusenken. Es sei insbesondere nicht konkret und hinreichend bestimmt nachvollziehbar, wofür die Maßnahme geeignet sein sollte bzw. wie durch sie die Eingliederung des Klägers in den allgemeinen Arbeitsmarkt konkret verbessert werden sollte. Er sei zudem nicht ordnungsgemäß über die entsprechenden Rechtsfolgen bei einem eventuellen Abbruch der Maßnahme belehrt worden. Darüber hinaus habe die Beklagte keinerlei Ermessensprüfung vorgenommen, inwieweit hier eine Reduzierung des Sanktionszeitraumes auf sechs Wochen in Betracht kommen könnte. Insbesondere sei die Ablehnung der beantragten Akteneinsicht rechtswidrig. Beigefügt war der an N. G. gerichtete Bewilligungsbescheid (Änderung zum Bescheid vom 19. November 2010) vom 10. Februar 2011, mit dem u.a. dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum 1. Dezember 2010 bis 31. Mai 2011 bewilligt worden waren. Mit Schriftsatz vom 30. November 2011 machte der Beschwerdegegner nach Gewährung der Akteneinsicht nochmals Ausführungen zur Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht. Es habe sich nunmehr bestätigt, dass offensichtlich tatsächlich keine Ermessensprüfung stattgefunden habe. In dem Erörterungstermin vom 29. Januar 2013, der von 15:00 Uhr bis 15:28 Uhr dauerte, bewilligte das SG dem Kläger unter Beiordnung des Beschwerdegegners Prozesskostenhilfe (PKH) ab dem 24. Januar 2013 ohne Kostenbeteiligung. Der Beschwerdegegner erklärte die Klage in der Hauptsache für erledigt. Das SG verpflichtete die Beklagte mit Beschluss vom 5. März 2013 zur Tragung von 1/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Am 27. Juni 2013 beantragte der Beschwerdegegner die Festsetzung folgender Gebühren aus der Staatskasse:

Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG

221,00 Euro

Erledigungsgebühr Nr. 1006, 1005 VV RVG

190,00 Euro

Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG

200,00 Euro

Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG

  64,60 Euro

Fahrkosten und Abwesenheitsgeld Vorb. Nr. 7 VV-RVG

   5,57 Euro

Post- und Telekommunikationsentgelt Nr. 7002 VV-RVG

  20,00 Euro

Zwischensumme

701,17 Euro

USt Nr. 7008 VV RVG

133,22 Euro

Summe 

834,39 Euro

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss (richtig: Vergütungsfestsetzungsbeschluss) vom 17. März 2014 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) den auszuzahlenden Betrag auf 262,43 Euro (Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG 85,00 Euro, Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 100,00 Euro, Kopiekosten Nr. 7000 VV RVG 10,00 Euro, Auslagen/Pauschale Nr. 7008 VV RVG 20,00 Euro, Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG und Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG 5,57 Euro, Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG: 39,62 Euro) fest. Zur Begründung führte sie aus, das Klageverfahren sei für den Kläger von durchschnittlicher Bedeutung gewesen, die anwaltliche Tätigkeit sei dagegen im Hinblick auf Umfang, Schwierigkeit und Haftungsrisiko als weit unterdurchschnittlich anzusehen. Unter Berücksichtigung der Kriterien zu § 14 RVG werde die halbe Mittelgebühr als angemessen erachtet. Eine Erledigungsgebühr sei nicht entstanden, die Terminsgebühr werde unter Berücksichtigung der kurzen Dauer d...

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