Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Verfahrensgebühr. Anrechnung der im Vorverfahren entstandenen Geschäftsgebühr. keine Änderung durch KostRMoG 2. Synergieeffekte im Verhältnis zum Vorverfahren. kein Anfall der Terminsgebühr

 

Orientierungssatz

1. Die Geschäftsgebühr nach Nr 2302 RVG-VV ist auf die Verfahrensgebühr nach Nr 3102 RVG-VV anzurechnen.

2. Der Senat sieht keinen Anlass, aufgrund der Änderungen des RVG durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (juris: KostRMoG 2) vom 23.7.2017 = BGBl I 2013, 2586, von seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung zur Frage der Berücksichtigung einer im Vorverfahren verdienten Geschäftsgebühr bei der Festsetzung der Verfahrensgebühr in einem inhaltlich damit zusammenhängenden gerichtlichen Eilverfahren abzurücken und schließt sich damit der Rechtsprechung des LSG Darmstadt im Beschluss vom 31.5.2016 - L 2 AS 603/15 B = AGS 2016, 463 an.

3. Synergieeffekte entstehen auch im Verhältnis von Vorverfahren und gerichtlichem Eilverfahren, wenn im gerichtlichen Eilverfahren der Anspruch vorläufig durchgesetzt oder ein Eingriff in die Rechtsposition vorläufig abgewendet werden soll.

4. In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes fällt die Terminsgebühr nach Nr 3106 RVG-VV nicht an.

 

Tenor

Auf die Anschlussbeschwerde des Beschwerdegegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 5. Juni 2015 aufgehoben und die der Beschwerdeführerin zu erstattende Vergütung aus der Staatskasse auf 388,80 Euro festgesetzt. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird zurückgewiesen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) Altenburg (Az.: S 36 AS 1910/14 ER).

Am 10. Juni 2014 beantragte der von der Beschwerdeführerin vertretene Antragsteller beim SG im Wege der einstweiligen Anordnung, die Antragsgegnerin (Stadt J., …) zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober 2014 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 688,70 Euro monatlich zu zahlen. Ihm seien im streitigen Zeitraum lediglich Leistungen in Höhe von 391,00 Euro bewilligt worden, allerdings keine Unterkunftskosten. Ein Anspruch auf Bewilligung der beantragten Leistungen sei überwiegend wahrscheinlich, denn er nutze die angemietete Wohnung tatsächlich. Ein Anordnungsgrund sei gegeben, denn ihm drohe eine fristlose Kündigung wegen Nichtzahlung der Miete für die Monate Mai und Juni 2014. Mit Schriftsatz vom 12. Juni 2014 erklärte sich die Antragsgegnerin bereit, ihm vorläufig Leistungen der Grundsicherung vom 1. Mai bis zunächst 31. Juli 2014 in Höhe von 670,50 Euro zu zahlen; sie trage die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu 75 v.H. Mit Beschluss vom 18. Juni 2014 bewilligte das SG dem Antragsteller Prozesskostenhilfe (PKH) und ordnete die Rechtsanwaltskanzlei Sch. & W. bei. Am 25. Juni 2014 erklärte die Beschwerdeführerin den Rechtsstreit für erledigt.

Unter dem 25. Juni 2014 beantragte sie die Festsetzung folgender Gebühren für das Antragsverfahren:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG

300,00 Euro

Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG

280,00 Euro

Erledigungsgebühr Nr. 1005 VV-RVG

300,00 Euro

Post- und Telekommunikationsentgelt Nr. 7002 VV-RVG

  20,00 Euro

Zwischensumme

900,00 Euro

USt     

  171,00 Euro

Summe 

1.071,00 Euro

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) setzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss (richtig: Vergütungsfestsetzungsbeschluss) vom 24. Juli 2014 die der Beschwerdeführerin im Rahmen der PKH zustehende Vergütung auf 714,00 Euro fest (Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG 300,00 Euro, Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 280,00 Euro, Auslagen/Pauschale 20,00 Euro, Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG 114,00 Euro) fest. Eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV-RVG stehe ihr nicht zu.

Hiergegen hat die Beschwerdeführerin Erinnerung eingelegt. Die Erledigungsgebühr sei vorliegend in Höhe von 300,00 Euro entstanden. Durch die Einwirkung auf den Antragsteller, das Teilanerkenntnis anzunehmen und den Rechtsstreit vollständig für erledigt zu erklären, liege eine qualifizierte anwaltliche Mitwirkung, die über die reine Begründung des Antrags hinausgehe und eine streitige Entscheidung des SG vermeide. Der Beschwerdegegner hat die Erledigungsgebühr in Höhe der doppelten Mindestgebühr für angemessen erachtet und Erinnerung gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 24. Juli 2014 insoweit eingelegt, als eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV-RVG in Höhe von 300,00 Euro erstattet werden solle. Nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 3 VV-RVG sei auf die Verfahrensgebühr eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV-RVG in Höhe von 150,00 Euro (1/2 von 300,00 Euro) anzurechnen, weil die Beschwerdeführerin den Antragsteller auch im Widerspruchsverfahren vertreten habe und der Verfahrensgegenstand des Widerspruchsverfahrens und des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtli...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge