Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. beigeordneter Rechtsanwalt. Terminsgebühr. verspäteter Beginn der mündlichen Verhandlung. Berücksichtigung von Wartezeiten
Leitsatz (amtlich)
Beginnt die mündliche Verhandlung später als in der Ladung mitgeteilt, ist die Wartezeit des beigeordneten Rechtsanwalts bei der Festsetzung der Terminsgebühr nach Nr 3106 VV RVG (juris: RVG-VV) beim Umfang der anwaltlichen Tätigkeit zu berücksichtigen.
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 18. November 2019 (S 49 SF 219/19 E) geändert und die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung des Beschwerdeführers für das Verfahren S 49 AS 3370/15 auf 545,62 € festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für das beim Sozialgericht (SG) Altenburg anhängig gewesene Verfahren (S 49 AS 3370/15) des von dem Beschwerdeführer vertretenen Klägers.
Der Kläger wandte sich mit der am 15. Dezember 2015 erhobenen Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2015, abgeändert durch Bescheid vom 7. Oktober 2015 (vorläufige Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB II≫ für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2015). Er begehrte für den gesamten Zeitraum vorläufig Leistungen in Höhe von 88,00 € monatlich mehr. Zur Begründung führte der Beschwerdeführer aus, die Beklagte rechne Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit an, obwohl der Kläger bereits erklärt habe, dass er kein Einkommen mehr aus selbstständiger Tätigkeit beziehe. Mit zwei kurzen Schriftsätzen übersandte der Beschwerdeführer die Akte nach Einsichtnahme zurück und erinnerte an die Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe (PKH). Mit Beschluss vom 24. Februar 2016 bewilligte das SG dem Kläger PKH ab dem 15. Dezember 2015 ohne Kostenbeteiligung unter Beiordnung des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer nahm im März 2016 auf knapp 1,5 Seiten Stellung zu den Ausführungen der Beklagten. Mit weiterem Schriftsatz beantragte er vorsorglich den Erlass eines endgültigen Leistungsbescheides. In der mündlichen Verhandlung am 22. Oktober 2018, die auf 12:00 Uhr geladen war, um 12:37 Uhr begann und um 12:59 Uhr beendet war, erklärte sich die Beklagte bereit, für den streitigen Zeitraum einen Betrag in Höhe von 768,00 € an den Kläger nachzuzahlen. Ebenso erklärte sie sich bereit, die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach zu übernehmen. Der Kläger nahm das Anerkenntnis der Beklagten an und erklärte den Rechtsstreit für erledigt.
Mit Kostennote vom 15. November 2018 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung folgender Vergütung für das Klageverfahren:
|
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG |
300,00 € |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG |
280,00 € |
Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG 414 Ablichtungen |
79,60 € |
Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG hier ⅒ |
4,50 € |
Tage- und Abwesenheitsgeld bis zu 4 Stunden Nr. 7005 VV RVG hier ⅒ |
4,00 € |
Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG |
20,00 € |
Zwischensumme |
688,10 € |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG |
130,74 € |
Gesamtbetrag |
818,84 € |
abzüglich Vorschusszahlung vom 18. Dezember 2015 |
-380,80 € |
Auszuzahlender Betrag |
438,04 € |
Mit Kostennote vom 13. Dezember 2018 beantragte er die Erstattung folgender Kosten für das Klageverfahren:
|
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG |
300,00 € |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG |
280,00 € |
abzgl. Geschäftsgebühr zu 1/2 |
-150,00 € |
Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG 414 Ablichtungen |
79,60 € |
Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG hier ⅒ |
4,50 € |
Tage- und Abwesenheitsgeld bis zu 4 Stunden Nr. 7005 VV RVG hier ⅒ |
4,00 € |
Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG |
20,00 € |
Zwischensumme |
538,10 € |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG |
102,24 € |
Gesamtbetrag |
640,34 € |
abzüglich Vorschusszahlung vom 18. Dezember 2015 |
-151,73 € |
Auszuzahlender Betrag |
488,61 € |
Auf Anfrage der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) gab der Beschwerdeführer an, die angegebenen Seiten der Verwaltungsakte eingescannt zu haben.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss (richtig: Vergütungsfestsetzungsbeschluss) vom 12. April 2018 setzte die UdG die zu erstattende Vergütung auf 379,02 €, die auszuzahlende Vergütung auf 227,29 € (Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 300,00 €, abzgl. Geschäftsgebühr zu ½ -150,00 €, Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 140,00 €, Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 €, Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG 4,50 €, Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG 4,00 €, Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 151,73 €, Absetzung des Vorschusses in Höhe von 151,73 €) fest.
Hiergegen legte der Beschwerdeführer Erinnerung ein und beantragte die Gebühren auf 640,34 € festzusetzen. Umfang und Dauer der anwaltlichen Tätigkeit seien durchschnittlich gewesen. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sei durchschnittlich, die Bedeutung der Angelegenhei...