Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Terminsgebühr. vergleichsweise Erledigung des Rechtsstreits aufgrund eines Telefonats der Verfahrensbeteiligten

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Anspruch auf eine Terminsgebühr Nr 3106 VV-RVG besteht, wenn die Verfahrensbeteiligten in einer telefonischen Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts konkret über den Abschluss eines Vergleiches verhandelt haben (vgl BGH Beschluss vom 20.11.2006 - II ZB 6/06 = NJW-RR 2007, 286 und LSG Chemnitz Beschluss vom 9.12.2010 - L 6 AS 438/10 B KO = NZS 2011, 796).

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Tenor des Beschlusses des Sozialgerichts Nordhausen vom 3. Januar 2012 unter 1. Satz 2 wie folgt berichtigt: Die dem Erinnerungsführer zu erstattenden Gebühren werden auf 797,30 Euro festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nordhausen (Az.: S 11 AS 2988/08) streitig.

Am 22. September 2008 erhob die von dem Beschwerdegegner vertretene Klägerin Klage gegen einen Bescheid der Beklagten (Grundsicherungsamt eines Landkreises) vom 20. September 2007 in der Fassung von fünf Änderungsbescheiden, einen Bescheid vom 21. April 2008 in der Fassung von zwei Änderungsbescheiden und des Widerspruchsbescheids und beantragte in der Hauptsache, höhere Heizkosten zu übernehmen und von einem höheren Abzug für die Kosten von Warmwasserbereitung abzusehen. Die Beklagte erließ am 16. April 2009 einen Änderungsbescheid. Mit Beschluss vom 6. Mai 2009 gewährte das SG der Klägerin Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Ratenzahlung und ordnete den Beschwerdegegner bei. Im Rahmen von außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen erklärte sich die Beklagte bereit, zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten zu übernehmen. Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2009 stellte der Beschwerdegegner für die Klägerin die Erledigung des Klageverfahrens fest und beantragte in seiner Kostenrechnung vom 19. Mai 2009 die Festsetzung von 839,55 Euro:

Verfahrensgebühr Nr. 3103, 3102 VV-RVG

 230,00 Euro

Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG

 200,00 Euro

Einigungsgebühr Nr. 1006, 1005 VV-RVG

220,00 Euro

 650,00 Euro

Pauschale Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG

 20,00 Euro

Dokumentenpauschale für 120 Seiten (Nr. 7000 Nr. 1a VV-RVG

35,50 Euro

 705,50 Euro

MWSt   

134,05 Euro

Gesamtbetrag

 839,55 Euro

Mit Verfügung vom 18. Juni 2009 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) die Gebühren auf 523,60 Euro und führte aus, eine Terminsgebühr komme mangels Termin nicht in Betracht. Auch sei kein vollumfängliches Anerkenntnis abgegeben worden. Hinsichtlich der Einigungsgebühr sei die Mittelgebühr (190,00 Euro) angemessen, denn Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Leistung seien durchschnittlich gewesen. Die Dokumentenpauschale komme mangels Akteneinsicht nicht in Betracht.

Am 31. Juli 2009 hat der Beschwerdegegner Erinnerung eingelegt und sich gegen die Ablehnung der Termins- und die Kürzung der Einigungsgebühr gewandt. Auf gerichtliche Anfrage hat die Beklagte unter dem 15. Juli 2010 mitgeteilt, am 14. Mai 2009 sei ein Telefonat mit dem Beschwerdegegner durchgeführt worden, in der "man sich grundsätzlich auf eine Kostenquote von 90 % einigte". Der Beschwerdegegner hat ergänzt, es sei auch um die weiteren Vergleichsbedingungen gegangen. Unter dem 15. Juni 2011 hat der Beschwerdeführer ein Teilanerkenntnis hinsichtlich der Einigungsgebühr abgegeben, das der Beschwerdegegner am 10. August 2011 angenommen hat.

Mit Beschluss vom 3. Januar 2012 hat das Sozialgericht den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18. Juni 2009 abgeändert und "die dem Kläger zu erstattenden Kosten" auf 797,30 Euro festgesetzt. Zur Begründung hat es auf die Vorbemerkung 3 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV-RVG) hingewiesen. Abzustellen sei allein darauf, ob es zu außergerichtlichen Gesprächen gekommen sei, nicht dagegen, dass das Verfahren vermieden oder erledigt wurde. Von Besprechungen seien auch telefonische Gespräche umfasst. Angemessen sei hier die Mittelgebühr in Höhe von 200,00 Euro.

Gegen den am 19. Januar 2012 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 26. Januar 2012 mit E-Mail ("zur Fristwahrung") und am 1. Februar 2012 schriftlich Beschwerde eingelegt und sich zur Begründung auf seine Anträge und die Ausführungen der UKB bezogen.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 3. Januar 2012 aufzuheben und die Vergütung des Beschwerdeführers auf 559,30 Euro festzusetzen.

Der Beschwerdegegner beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf die Ausführungen im Beschluss des SG Nordhausen vom 3. Januar 2012.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 16. Februar 2012) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt. Der Senatsvorsitzende hat das Verfahren mit Beschlus...

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