Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtbarkeit eines im PKH-Verfahren ergangenen Beschlusses nur durch den beigeordneten Rechtsanwalt und die Staatskasse

 

Orientierungssatz

Am Kostenfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG sind nur der im Wege der PKH beigeordnete Rechtsanwalt und die Staatskasse beteiligt. Gegenüber den Beteiligten des Hauptsacheverfahrens entfaltet die Kostenentscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle keine Rechtskraftwirkung. Der ergangene Kostenfestsetzungsbeschluss ist gegenüber dem unbeteiligten Dritten nichtig und tatsächlich wirkungslos.

 

Tenor

Auf die Beschwerde werden der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 9. Dezember 2013 (richtig: 9. Dezember 2015) und der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Juni 2013 aufgehoben und die Sache an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) Gotha (Az.: S 10 AS 6376/10).

Mit der im August 2010 erhobenen Klage (Az.: S 10 AS 6376/10) hatten die von der Beschwerdeführerin vertretenen Klägerinnen höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Juni  bis 30. November 2010 begehrt. Die berücksichtigten Kosten der Unterkunft (KdU) entsprächen nicht den tatsächlichen Verhältnissen; die nachgewiesenen KdU seien der Höhe nach angemessen und mit Ausnahme der Kosten für die Warmwasserversorgung auch vollständig als Bedarf anzuerkennen. Zudem sei der angegriffene Bescheid bereits wegen des Verstoßes gegen die Rundungsvorschrift des § 41 Abs. 2 SGB II teilweise rechtswidrig. Unter dem 29. August 2012 teilte Rechtsanwältin W. mit, dass mit der Klage im streitigen Zeitraum für die Klägerin zu 2 noch 1,29 € monatlich begehrt werden, mithin 7,74 € insgesamt. Unter dem 30. August 2012 erklärte die Beklagte, sie erkenne den mit Schriftsatz vom 29. August 2012 geltend gemachten Betrag in Höhe von 7,74 € an. Mit Beschluss vom 3. September 2012 hat das Sozialgericht (SG) den Klägerinnen Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und Rechtsanwältin W. beigeordnet. Unter dem 10. September 2012 erklärte Rechtsanwältin W., sie nehme das Teilanerkenntnis vom 30. August 2012 an und erkläre den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt.

Unter dem 14. September 2012 beantragte die Beschwerdeführerin die Festsetzung folgender Gebühren für das Klageverfahren:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG

170,00 Euro

Erhöhungsgebühr 1 Nr. 1008 VV-RVG

  51,00 Euro

Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG

190,00 Euro

Post- und Telekommunikationsentgelt Nr. 7002 VV-RVG

  20,00 Euro

Zwischensumme

431,00 Euro

USt     

  81,89  Euro

Summe 

512,89 Euro

Nach Anhörung der Beklagten setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Juni 2013 in dem Rechtsstreit der Klägerinnen vertreten durch die Beschwerdeführerin gegen die Beklagte die der Rechtsanwältin K. W. im Rahmen der Prozesskostenhilfe zustehende Vergütung auf 115,67 Euro fest. Sie ermittelte die festzusetzenden Gebühren unter Berücksichtigung des Punkteschemas nach dem sogenannten "Kieler Kostenkästchen" (vgl. hierzu: Senatsbeschluss vom 6. November 2014  - Az.: L 6 SF 1022/14 B) und setzte die Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG in Höhe von 60,00 €, die Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV-RVG in Höhe von 18 € sowie die Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG auf 19,20 € fest.

Dagegen hat die Beschwerdeführerin Erinnerung eingelegt und vorgetragen, die Verfahrensgebühr sei auf 170 € (Mittelgebühr) festzusetzen. Des Weiteren sei die Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG festzusetzen. Es sei lediglich ein Teilanerkenntnis angenommen worden. Im  Rubrum beim SG wird die Beschwerdeführerin als Erinnerungsführerin ausgewiesen. Mit Beschluss vom 9. Dezember 2013 (richtig: 9. Dezember 2015) hat das SG die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Juni 2013 im Klageverfahren S 10 AS 6376/10 zurückgewiesen.

Gegen den am 21. Dezember 2015 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 14. Januar 2016 Beschwerde eingelegt und die Festsetzung der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung auf 512,89 € beantragt. Der Beschwerdegegner vertritt die Ansicht, der Kostenfestsetzungsbeschluss nach § 55 RVG sei grob rechtswidrig und damit nichtig und tatsächlich wirkungslos. Er verweist auf den Senatsbeschluss vom 12. Mai 2015 (Az.: L 6 SF 115/15 B, nach juris). Die Beschwerdeführerin hat daraufhin ebenfalls die Zurückverweisung an das SG beantragt.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 1. März 2016) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.

II.

Zuständig für die Entscheidung ist nach dem aktuellen Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landessozialgerichts i.V.m. dem Geschäftsverteilungsplan des 6. Senats die Berichterstatterin des Senats.

Anzuwenden ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der Fassung bis 1. August 2013 (a.F.), denn die Beiordnung des Beschwerdeführerin  ist davor erfolgt (§ 60 Abs. 1 S 1 RVG).

Die Beschwerd...

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