Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Prozesskostenhilfe. beigeordneter Rechtsanwalt. Erledigungsgebühr. Verzicht auf Erstattung ohne zwingenden Grund. Geltendmachung des Erstattungsanspruchs gegenüber der Staatskasse. unzulässige Rechtsausübung
Leitsatz (amtlich)
Es widerspricht dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 242 BGB, wenn ein Rechtsanwalt von der Staatskasse aufgrund der Bewilligung von PKH unter seiner Beiordnung eine Vergütung fordert, obwohl er oder sein Mandant entgegen der gesetzlichen Verpflichtung aus § 59 RVG, die Staatskasse bei der Beitreibung von auf sie übergegangenen Ansprüchen gegen einen potenziell erstattungspflichtigen Dritten zu unterstützen (vgl LSG Essen vom 11.4.2008 - L 1 B 33/07 AL), nicht nachkommt und durch eine Kostenvereinbarung ohne hinreichenden sachlichen Grund einen solchen Erstattungsanspruch von vornherein unmöglich macht.
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 31. Mai 2017 (S 27 SF 284/16 E) geändert und die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung der Beschwerdegegner für das Verfahren S 27 AS 290/14 auf 993,03 € festgesetzt.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für das beim Sozialgericht (SG) Altenburg anhängig gewesene Verfahren (Az.: S 27 AS 290/14), in dem die Beschwerdegegner den Kläger vertraten.
Der Kläger beanstandete in dem Klageverfahren die Höhe der ihm mit Änderungsbescheid vom 5. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2014 bewilligten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Einkommen aus selbständiger Tätigkeit sei in geringerer Höhe anzurechnen. Mit Beschluss vom 2. März 2015 bewilligte das SG dem Kläger ab dem 20. Februar 2015 Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung der Beschwerdegegner ohne Kostenbeteiligung.
In der mündlichen Verhandlung am 2. Dezember 2015, die von 8:42 Uhr bis 9:25 Uhr dauerte, schlossen die Beteiligten einen Vergleich dahingehend, dass die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Februar bis 31. Juli (2012) 193,74 € nachzahlt und sie die notwendigen Kosten des Klägers in Höhe von 2/5 trägt. Davon ausgenommen ist die Vergleichsgebühr der Prozessbevollmächtigten.
Am 7. Dezember 2015 beantragten die Beschwerdegegner die Festsetzung folgender Gebühren aus der Staatskasse:
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Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG |
300,00 € |
Einigungsgebühr Nr. 1008 VV RVG |
300,00 € |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG |
280,00 € |
⅓ Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG |
15,00 € |
⅓ Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG |
8,33 € |
Akteneinsicht Nr. 7000 VV RVG (91 Kopien) |
31,15 € |
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG |
20,00 € |
Zwischensumme |
994,48 € |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG |
181,35 € |
Gesamtsumme |
1.135,83 € |
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) veranlasste die Auszahlung der geltend gemachten Vergütung.
Dagegen hat der Beschwerdeführer am 24. Oktober 2016 Erinnerung eingelegt und beantragt, die Verfahrensgebühr in Höhe von 2/3 der Mittelgebühr (200,00 €) festzusetzen. Die Einigungsgebühr sei ebenfalls nur in Höhe von 2/3 der Mittelgebühr (200,00 €) angemessen. Der Anspruch auf Erstattung aus der Staatskasse sei in Höhe von 2/5 (80,00 €) verwirkt. Es widerspreche nach dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 242 BGB Treu und Glauben und führe im Ergebnis dazu, dass eine Auszahlung der Einigungsgebühr durch die Staatskasse nicht oder nur teilweise erbracht werden müsse, wenn der Rechtsanwalt aus der Staatskasse aufgrund der Bewilligung von PKH unter seiner Beiordnung eine Vergütung fordere, obwohl er oder der Mandant entgegen der gesetzlichen Verpflichtung aus § 59 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG), die Staatskasse bei der Beitreibung von auf sie übergegangenen Ansprüchen gegen einen potenziell erstattungspflichtigen Dritten zu unterstützen, nicht nachkomme und vielmehr ohne hinreichenden sachlichen Grund einen solchen Erstattungsanspruch sogar von vornherein unmöglich mache. Er beantrage die Festsetzung der Vergütung auf 802,63 €. Dem sind die Beschwerdegegner entgegengetreten. Die Einigungsgebühr sei in jedem Fall in Höhe des Anteils von 3/5 zu zahlen. Im Übrigen stehe es den Beteiligten frei, einen Vergleich, welchen Inhalts auch immer, abzuschließen. Dies müsse ebenso bei erfolgter Bewilligung von PKH gelten.
Mit Beschluss vom 31. Mai 2017 hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers sei die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe der Mittelgebühr (300,00 €) angemessen. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien als durchschnittlich einzustufen. Die Einkommensberechnung bei Selbstständigen sei besonders komplex, gerade wenn wie hier verschiedene Positionen auf ihre Abzugsfähigkeit als Betriebsausgaben zu überprüfen seien. Dies zeige, dass auch die Schwierigkeit der Tätigkeit nicht als unterdurchschnittlich eingestuft werden könne. Die Beschwerdegegner hätten auch einen bezifferten Klageantrag g...