Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Unfallereignis. geeigneter Bewegungsablauf. haftungsbegründende Kausalität. Nachweis. Wahrscheinlichkeit. Kahnbeinfraktur. Verletzung im Sportunterricht beim Tauziehen

 

Orientierungssatz

1. Zur Anerkennung einer Kahnbahnfraktur als Arbeitsunfall (hier: beim Tauziehen während des Sportunterrichts).

2. Die fehlende Möglichkeit, radiologischerseits das Alter der Kahnbeinfraktur näher einzugrenzen, führt nicht dazu, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Unfallzusammenhang zu verneinen ist.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 23. Februar 2016 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass unter Abänderung des Bescheides vom 14. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2012 als weitere Folge des Arbeitsunfalles vom 6. April 2011 eine Kahnbeinfraktur rechts anerkannt wird.

Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als weitere Folge eines anerkannten Arbeitsunfalles vom 6. April 2011 eine Kahnbeinfraktur rechts erlitten hat.

Der 1996 geborene Kläger nahm am 6. April 2011 im Sportunterricht am Tauziehen teil. Nach Beendigung des Sportunterrichtes klagte er über Beschwerden im Bereich der rechten Hand und suchte noch am gleichen Tag einen Durchgangsarzt auf. Dieser diagnostizierte eine Handgelenksdistorsion rechts. In der Unfallanzeige der Schule vom 3. Mai 2011 wird angegeben, dass die Schüler vor dem Tauziehen auf dem Boden saßen, auf Kommando aufstanden und das Seil griffen und zogen. Der Kläger habe dabei Schmerzen in seinem rechten Handgelenk verspürt. Wegen anhaltender Beschwerden erfolgte am 6. Mai 2011 eine MRT-Untersuchung des rechten Handgelenks. Dort fanden sich Zeichen einer Querfraktur des Os naviculare mit deutlichen Ödemen des proximalen und distalen Fragmentabschnitts. Eine CT-Untersuchung der Handwurzel rechts vom 17. Mai 2011 ergab einen deutlichen Frakturspalt mit einer Spaltweite bis circa 2,4 mm. Diagnostiziert wurde eine nicht ganz frische quer verlaufende Fraktur des Kahnbeins im mittleren Drittel ohne Dislokation. Deswegen erfolgte am 9. Juni 2011 im Helios Kreiskrankenhaus G./O. eine operative Versorgung mit geschlossener Reposition und Schraubenosteosynthese. Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. Sch. hielt in einer Stellungnahme vom 21. August 2011 das beschriebene Ereignis für nicht geeignet, eine Kahnbeinfraktur zu verursachen. Dazu bedürfe es eines Sturzes auf die ausgestreckte Hand.

Daraufhin erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 14. September 2011 das Ereignis vom 6. April 2011 als Arbeitsunfall mit der Folge einer Handgelenksdistorsion rechts und einer unfallbedingten Behandlungsbedürftigkeit bis zum 6. Mai 2011 an. Eine Kahnbeinfraktur rechts wurde als Unfallfolge ausdrücklich abgelehnt. Diese trete typischerweise durch einen Sturz auf die ausgestreckte Hand ein. Ein solcher sei hier nicht zu erkennen.

Einen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2012 zurück. Die erforderliche starke äußere Krafteinwirkung auf die rechte Hand sei nicht erkennbar.

Hiergegen hat der Kläger am 15. Februar 2012 beim Sozialgericht Gotha Klage erhoben. Dieses hat Dr. F. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Er bejahte in seinem Gutachten vom 23. September 2015 das Vorliegen einer traumatisch bedingten Kahnbeinfraktur am rechten Handgelenk. Bislang sei der Unfallmechanismus nur unzureichend berücksichtigt worden. Zwar sei der Zug mit der rechten Hand am Seil kein geeigneter Unfallmechanismus, jedoch habe der Kläger auf dem Boden gesessen und auf Kommando aufstehen müssen, um an dem Seil zu ziehen. Dabei habe er sich mit dem rechten Handgelenk auf dem Boden abgestützt. Die bildgebenden Befunde vom 6. und 17. Mai 2011 belegten eine nicht mehr ganz frische Fraktur. Dies sei nicht ungewöhnlich, da zwischen Unfalltag und Untersuchungstag immerhin mehr als fünf Wochen gelegen hätten. Dieser Zeitraum reiche aus, typische Veränderungen mit Frakturspalt entstehen zu lassen. Für eine traumatische Fraktur spreche der zeitnahe, schriftlich dokumentierte klinische Befund mit Schwellung, Druckschmerz und Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenks.

Mit Urteil vom 23. Februar 2016 hat das Sozialgericht Gotha den Bescheid der Beklagten vom 14. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 18. Januar 2012 aufgehoben und als weiteren Gesundheitsschaden in Folge des Arbeitsunfalles vom 6. April 2011 eine Kahnbeinfraktur rechts anerkannt. Zwischen der Kahnbeinfraktur und dem Unfallereignis vom 6. April 2011 bestehe mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Ursachenzusammenhang. Ein geeigneter Unfallhergang sei gegeben. Dass die Fraktur vom Durchgangsarzt zunächst bei der Röntgenuntersuchung nicht festgestellt worden sei, sei nicht ungewöhnlich. Die weiteren bildgebenden Befunde...

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