Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Verletztenrente. MdE-Höhe. Hundebissverletzung im Gesicht. entstellende Narben. Schmerzstörung. Bewilligung einer Verletztenrente für die Vergangenheit kein Dauerverwaltungsakt. Entziehung der vorläufigen Entschädigung. Verneinung der Unfallfolge als gesonderter Verfügungssatz. sozialgerichtliches Verfahren. kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage

 

Orientierungssatz

1. Die Folgen einer Hundebissverletzung im Gesicht (hier: mit entstellenden Narben, Gefühlsstörungen an den Lippen, Minderbeweglichkeit des Mundring- bzw Lippenmuskels und medikamentös behandelten Schmerzen) rechtfertigen nicht zwingend dauerhaft eine rentenberechtigende MdE von 20.

2. Wird die Berufsgenossenschaft lediglich verpflichtet, für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum eine Verletztenrente zu gewähren, liegt kein Dauerverwaltungsakt vor, sodass mangels Fallgestaltung des § 48 SGB 10 die Regelung des § 73 Abs 3 SGB 7 nicht zur Anwendung kommt.

3. Es sind im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren auch negative Feststellungen (mit späterer Bindungswirkung) in der Weise zulässig, dass bestimmte Gesundheitsstörungen (hier: Angststörung gemischt mit Depression) nicht Folgen des Arbeitsunfalls sind (vgl LSG Stuttgart vom 28.7.2016 - L 6 U 1013/15).

4. Ein Bescheid, mit welchem eine vorläufig gewährte Verletztenrente entzogen wird, kann zugleich als weiteren gesonderten Verfügungssatz die Feststellung enthalten, dass wegen der Folgen des Arbeitsunfalls kein Anspruch auf Rente auf unbestimmte Zeit besteht. In diesem Fall ist eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 31. Januar 2017 aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 25. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2014 verpflichtet, der Klägerin Verletztenrente für den Zeitraum 1. August 2013 bis 31. Juli 2017 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zur Hälfte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Entziehung einer vorläufig gewährten Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 25 v. H. zum 1. August 2013 und begehrt die Zahlung einer Dauerrente i. H. v. mindestens 20 v. H.

Die 1967 geborene Klägerin wurde am 24. September 2010 beim traditionellen Hoffest des A. für L. und F. G. durch den Hund eines Kollegen im Gesicht verletzt. Deshalb befand sie sich bis zum 29. September 2010 in stationärer Behandlung im ... W. G. Dort wurde eine Hundebissverletzung im Gesichtsbereich linksbetont festgestellt und operativ behandelt. Im Rahmen eines weiteren stationären Aufenthaltes vom 8. bis 10. Dezember 2010 erfolgte eine Narbenkorrektur. Im Auftrag der Beklagten erstellte der Neurologe Dr. Sch. am 28. Juli 2011 ein Gutachten und diagnostizierte unfallabhängig einen ausgeprägten neuropathischen Schmerz links im Narbenbereich und eine leichte Minderbeweglichkeit des Musculus orbicularis oris links. Eine vorhandene Angststörung sei unfallunabhängig. Die MdE sei mit 25 v. H. einzuschätzen. In einem psychologischen Zusatzgutachten vom 15. August 2011 schätzte die Dipl.-Psych. R. die MdE aufgrund der vorhandenen psychischen Symptome wegen einer Angst vor großen Hunden für ihr Fachgebiet auf unter 10 v. H. ein. Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. F. ging von einer Sensibilitäts- und Schmerzstörung der linken Gesichtshälfte aus, die mit einer MdE von 25 v. H. im oberen Bereich einzuschätzen sei. Die Beklagte zog des Weiteren Behandlungsunterlagen vor dem Unfallereignis der Fachärztin für Nervenheilkunde Dipl.-Med. P. bei. Daraus ergibt sich, dass die Klägerin bereits seit dem Jahre 2004 wegen Angst und depressiver Störungen bei ihr in Behandlung war. Der Beratungsarzt Dr. F. führte in einer weiteren Stellungnahme vom 3. Mai 2012 aus, dass der Unfall auf psychiatrischem Fachgebiet keine Folgen hinterlassen habe. Die MdE sei mit 25 v. H. für die Betroffene günstig eingeschätzt.

Daraufhin erkannte die Beklagte durch Bescheid vom 2. Juli 2012 das Ereignis vom 24. September 2010 als Arbeitsunfall und als dessen Folgen an:

- „leichte residuale Störung der Mimik links durch Bewegungsminderung des Musculus orbicularis links

- Narben linke Gesichtshälfte mit Störung des Oberflächengefühlsempfinden im Narbenbereich und Überempfindlichkeit bei Berührung sowie Allodynie (gestörte Schmerzempfindung) und Verschmälerung des Amorbogens

- Narben rechte Gesichtshälfte nach Hundebissverletzung“.

Ausdrücklich wurde eine Angststörung gemischt mit Depression als Folgen des Arbeitsunfalls nicht anerkannt. Die Beklagte bewilligte ab dem 24. Oktober 2010 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 25 v. H.

Mit Schreiben vom 5. Februar 2013 hörte die Beklagte die Klä...

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