Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Verfassungsmäßigkeit. Richtlinie über künstliche Befruchtung. intracytoplasmatische Spermieninjektion. Kostenerstattungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
Zur Verfassungsmäßigkeit der Richtlinie über künstliche Befruchtung (Ziffer 11.5 - Intracytoplasmatische Spermieninjektion).
Orientierungssatz
Ein Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch, er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hat (vgl zB BSG vom 21.2.2006 - B 1 KR 29/04 R = USK 2006-13 st Rsp, zitiert nach juris Rn 9).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 26. Mai 2008 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme der Kosten für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mittels Intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) in Höhe von insgesamt 5.965,03 € streitig.
Die 1974 geborene und bei der Beklagten gesetzlich versicherte Klägerin beantragte am 25. Juni 2003 unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung ihres behandelnden Frauenarztes die Kostenübernahme für eine In-Vitro-Fertilisation (IVF)- Behandlung mit zusätzlicher Anwendung des ICSI-Verfahrens. Ausweislich der Stellungnahme des behandelnden Arztes liege eine klare Indikation zur Durchführung der IVF unter zusätzlicher Anwendung des ICSI-Verfahrens vor. Im Rahmen der IVF-Therapie sei es mehrfach zu befruchteten Eizellen gekommen. Diese Indikation sei jedoch in den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen bisher nicht erfasst. Eine Fertilitätsstörung lag beim Ehemann nicht vor.
Der MDK befürwortete in einer Stellungnahme vom 15. September 2003 die Kostenübernahme. Nach Auswertung der Richtlinie über künstliche Befruchtung lehnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Bescheid vom 22. September 2003 die Kostenübernahme ab. Zur Begründung wurde auf Ziffer 11 Punkt 5 der Richtlinie über künstliche Befruchtung verwiesen. Danach sei Voraussetzung für die Anwendung der ICSI-Behandlungsmethode, dass durch zwei aktuelle Spermiogramme ein Unterschreiten der dort genannten Grenzwerte nachgewiesen werde. Eine derartige Störung liege beim Ehemann der Klägerin jedoch nicht vor. Hiergegen legte die Klägerin am 13. Oktober 2003 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2003 zurückwies.
Hiergegen hat die Klägerin am 23. Dezember 2003 Klage erhoben. In der Zwischenzeit hat sie auf eigene Kosten zwei Behandlungsversuche mittels ICSI-Methode durchführen lassen. Der erste Versuch erfolgte im April 2004, eine weitere Behandlung im September 2004. Den Antrag auf Kostenerstattung hinsichtlich des zweiten Versuchs lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 3. August 2004 ab. Ein Widerspruch hatte ebenfalls keinen Erfolg.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) diverse Befundberichte beigezogen und ein Gutachten des Leiters des Funktionsbereichs Endokrinologie und Reproduktionsmedizin des Universitätsklinikums J. Dr. W. St. und Stellungnahmen der Bundesärztekammer vom 14. August 2006 sowie des Gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 21. September 2006 eingeholt. Auf Antrag der Klägerin hat Dr. B. gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ein weiteres Gutachten am 30. Januar 2008 erstellt.
Mit Urteil vom 26. Mai 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Die ablehnenden Bescheide seien rechtmäßig. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die zwei durchgeführten Behandlungen mittels ICSI im April und September 2004. Die ICSI-Methode sei nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse erfasst. Einzelheiten zu den Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung nach § 27a Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) würden durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen durch zu erlassende Richtlinien nach § 92 SGB V bestimmt. Nach der ab dem 1. Juli 2002 geltenden Richtlinie über künstliche Befruchtung sei Voraussetzung für die Durchführung einer ICSI-Behandlung das Vorliegen einer männlichen Fertilitätsstörung unter den dort genannten Bedingungen. Dies sei nicht der Fall. Das Bundessozialgericht habe zuletzt mit Urteil vom 21. Februar 2006 - Az.: B 1 KR 29/04 R entschieden, dass es sich bei der Nichtaufnahme von weiblichen Infertilitätsstörungen als Indikation für die Durchführung einer ICSI-Behandlung nicht um ein sogenanntes Systemversagen handele.
Gegen die am 7. August 2008 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 5. September 2008 Berufung eingelegt. Das Urteil berücksichtige nicht hinreichend, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. B. die ICSI-Methode medizinisch indiziert gewesen sei. Soweit sich das Urteil auf die Richtlinie über künstliche Befruchtung des Bundesausschusses der Ärzt...