Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschäftigungsverhältnis. Handelsvertreter. Handlungsgehilfe. Weisung. Arbeitszeit. Vertreter. Wettbewerbsverbot. Unternehmerrisiko
Leitsatz (redaktionell)
Selbstständiger Handelsvertreter ist, wer von einem Unternehmer ständig mit dem Abschluss von Geschäften betraut ist, sofern er im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit selbst bestimmen kann sowie ein Unternehmerrisiko trägt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist er angestellter Handlungsgehilfe.
Normenkette
AFG § 168; SGB IV § 8 Abs. 1 Nr. 1; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1; SGB XI § 20 Abs. 1 Nr. 1; HGB §§ 59, 84 Abs. 1-2, § 86 Abs. 1, § 92a; BGB §§ 665, 675
Verfahrensgang
SG Gotha (Urteil vom 27.08.2002; Aktenzeichen S 3 KR 614/00) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 27. August 2002 sowie der Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2000 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Kläger in dem Zeitraum vom 1. April 1993 bis zum 31. Mai 1995 bei den Beigeladenen zu 3) und 4) versicherungs- und beitragspflichtig beschäftigt war.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger im Zeitraum vom 1. April 1993 bis 31. Mai 1995 bei den Beigeladenen zu 3) und 4) versicherungs- und beitragspflichtig beschäftigt war. Er war damals als hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger bei der Beklagten nach § 22 Abs. 4 der Satzung freiwillig versichert.
Die Beigeladene zu 3) vertreibt und erstellt ein so genanntes Landesfirmenverzeichnis, die Beigeladene zu 4) ein so genanntes Regionenregister. Diese Firmenverzeichnisse enthalten kostenlose redaktionell aufbereitete Grundeinträge, die dem Verwender des jeweiligen Nachschlagewerkes die Möglichkeit geben, sich über örtliche Unternehmungen je nach Branche und Ortsansässigkeit zu informieren und zu diesem Unternehmen gegebenenfalls Kontakt aufzunehmen. Innerhalb dieser Firmenverzeichnisse wird Interessenten die Möglichkeit geboten, kostenpflichtige Inserate zu platzieren, um den Aufmerksamkeitswert zu erhöhen.
Am 4. April 1993 schloss der Kläger mit den Beigeladenen zu 3) und 4) eine als Handelsvertretervertrag (im Folgenden: HV-Vertrag) bezeichnete Vereinbarung ab. Nach den Angaben des gesetzlichen Vertreters der Beigeladenen zu 3) und 4) handelte es sich um einen Vertragstext aus der Gründerzeit seiner Gesellschaften. Er enthält u.a. folgende Regelungen:
„A. ALLGEMEINES
1. Die Art der Anschriftenbücher erfordert es, dass alle Firmen, für die dem Handelsvertreter (= der Kläger) Unterlagen zur Verfügung gestellt werden, von diesem aufgesucht werden müssen.
….
B. WERBUNG
1. Die Vergabe der Arbeitsbezirke wird durch die Verkaufsleitung der Verlage bestimmt. Die dem Handelsvertreter übertragenen Bezirke sind von ihm sorgfältig zu bearbeiten und hierbei die Richtlinien zu beachten, die mündlich oder schriftlich durch die Verlage oder ihre Beauftragten erteilt werden. Es gehört zu den Aufgaben des Handelsvertreters, alle ihm bekannt gegebenen Firmen zu besuchen und den Kundenkreis zu erneuern und zu erweitern.
Der Handelsvertreter hat die ihm übertragenen Bezirke in einer angemessenen Zeit zu bearbeiten, sodass die termingemäße Herausgabe des Werkes sichergestellt ist.
2. Um dem Handelsvertreter in seiner Arbeit bestmöglichst zu unterstützen, werden ihm verlagseigene Ausschnittkarten überlassen, wobei der Handelsvertreter verpflichtet ist, alle Angaben auf diesen Karten durch die betreffende Firma auf ihre Richtigkeit prüfen zu lassen und sich ergebende Textänderungen sorgfältig zu notieren und den Verlagen mitzuteilen. Die bearbeiteten Karteikarten (nicht Ausschnittkarten) sind einschließlich der erzielten Aufträge wöchentlich an die Verlage abzusenden.
3. Das dem Handelsvertreter übergebene Arbeitsmaterial: Ausweise, Auftragsbücher, Abrechnungslisten, Karten, Mappen usw. bleibt Eigentum der Verlage und ist diesen jederzeit auf Verlangen am selben Tag zurückzugeben bzw. per Einschreiben zurückzusenden. Das übergebene Anschriftenmaterial ist ausschließlich für diese Werbung zu verwenden und mit größter Sorgfalt zu behandeln. Bei Zuwiderhandlung haftet der Handelsvertreter für den gesamten Schaden.
4. Es ist nicht zulässig, in einem anderen als dem zugeteilten Bezirk zu arbeiten. Falls eine Firma verzogen ist, sind die Unterlagen zurückzugeben. Als „Verlagskunde” bezeichnete oder benannte Betriebe oder Geschäfte dürfen nicht besucht werden. Entgegen diesen Richtlinien hereingeholte Aufträge werden nicht vergütet.
….
C. Provisionen
1. Für die vom Handelsvertreter abgeschlossenen Aufträge erhält dieser eine Provision. Der Provisionsanspruch ist verdient bei Zahlung durch den Auftraggeber. Der Handelsvertreter erhält die im Abschnitt „D Provisionssätze” genannten Provisionssätze a...