Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem auf dem Bau tätigen angelernten Eisenflechter

 

Orientierungssatz

1. Ist ein für ein Bauunternehmen tätiger angelernter Eisenflechter an die Anweisungen seines Auftraggebers gebunden und in dessen Betrieb eingegliedert, richtet sich die Entlohnung nach einem vereinbarten Stundenlohn bzw nach dem Gewicht des verlegten Stahls, hat er ein unternehmerisches Risiko nicht zu tragen und kein Kapital einzusetzen, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.

2. Dem widerspricht nicht die Anmeldung eines eigenen Gewerbes durch den Eisenflechter, das Fehlen eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und von bezahltem Urlaub.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 6. März 2019 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 31.692,71 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine Gesamtbeitragsnachforderung i.H.v. 31.692,71 €, Säumniszuschläge inkludiert.

Der Kläger betreibt als Einzelunternehmer die D Bau Eisenflechterei.

Im Mai 2010 wurde durch das Hauptzollamt B das Bauvorhaben „N BND-Z“ bezüglich möglicher Schwarzarbeit geprüft. Im Herbst 2010 gingen bei dem Hauptzollamt E Hinweise ein, dass bei dem Bauvorhaben „J A“ bulgarische Einmannunternehmer tätig seien. In diesem Zusammenhang wurden die Behörden auf den Kläger und seine Zusammenarbeit mit bulgarischen Eisenflechtern aufmerksam.

Nach einem Bericht über eine Lohnsteuer-Außenprüfung des Finanzamtes I vom 30. März 2011 erklärten die nunmehr beigeladenen und auf der Baustelle in A angetroffenen Eisenflechter, dass sie in der Regel zwischen 7:30 Uhr und 17:00 Uhr gearbeitet hätten. Ihnen seien 130,00 € für jede Tonne verlegten Stahls oder 18,00 € bis 19,00 € pro Stunde gezahlt worden. Arbeitsmittel und Arbeitskleidung habe die Firma D Bau gestellt. Die Arbeitskleidung habe deren Logo getragen. Treffpunkt sei bei dem Kläger gewesen, die Weiterfahrt mit dem Firmenbus sei zu den entsprechenden Baustellen von dort aus erfolgt. Ein eigenes Büro habe es nicht gegeben. Die Rechnungen seien von dem Kläger geschrieben worden. Die Arbeit könne nicht allein verrichtet werden. Der Auftrag hätte nicht weitergegeben werden dürfen. Chef auf der Baustelle sei der Kläger oder aber ein S gewesen.

Unter 1.3. Preise und Vergütung eines vorliegenden Blanko-Werkvertrages wurde zu den Einheitspreisen/Pauschalpreisen ausgeführt: Stahlverlegen 130,00 € je Tonne, Matte verlegen 120,00 € je Tonne, Stundenlohn 19,00 € je Stunde. Zudem war geregelt, dass der Auftragnehmer, wenn er den Fertigstellungstermin oder etwaige Zwischentermine überschreite und dies zu vertreten habe, für jeden Arbeitstag der Überschreitung eine Vertragsstrafe in Höhe von 8 v.H. der Vertragssumme zu zahlen habe.

Im Rahmen der Ermittlungen vernahm das Hauptzollamt E Zeugen (eine Mitarbeiterin des Klägers sowie die Beigeladenen zu 1, 2 und 4; der Beigeladene zu 3 wurde vom Hauptzollamt R befragt). Im Übrigen wurden von den Beigeladenen ausgestellte Rechnungen herangezogen.

Unter dem 9. November 2013 wurde ein Beitragsschaden durch die Beklagte i.H.v. 92.237,53 € festgestellt. Der Kläger wurde dazu angehört.

Mit Bescheid vom 10. August 2019 forderte die Beklagte von dem Kläger für die Zeit von Mai bis November 2010 Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. 31.692,71 € einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 9.680,00 €. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass im Rahmen von Baustellenprüfungen mehrere bulgarische Arbeitskräfte angetroffen worden seien, die im Rahmen von Gewerbeanmeldungen für den Kläger als Einzeleisenflechter tätig geworden seien. Die Auswertung der beweisrelevanten Unterlagen in Form der Eingangsrechnungen der Einzelunternehmen, der Gewerbeanmeldung und Werkverträge sowie der Befragung und Vernehmung der Einzelunternehmen habe ergeben, dass eigenständige werksvertragliche Leistungen der vermeintlichen Auftragnehmer mangels Fachkenntnissen, aber auch mangels Vorlage von Bauplänen bzw. konkreten Leistungsverzeichnissen nicht erkennbar seien. Deutschkenntnisse seien nicht vorhanden gewesen. Die eingesetzten Arbeitskräfte seien lediglich als einfache Arbeiter auf dem Bauvorhaben tätig gewesen.

Den Widerspruch des Klägers, dass die Subunternehmer jeweils selbständig gearbeitet und ein eigenes Unternehmerrisiko getragen hätten, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2016 zurück.

Noch während des Widerspruchsverfahrens verurteilte das Amtsgericht E den Kläger mit Urteil vom 3. September 2015 wegen Vorenthaltung von Arbeitsentgelten zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10,00 €. Dabei ging das Amtsgericht in seiner Entscheidung davon aus, dass der Kläger auf den Baustellen bulgarische Arbeitskräfte beschäftigt habe, die nur zum Schein selbständig gewesen seien. Bei de...

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