Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenbeteiligung für ein Widerspruchsverfahren über laufende Leistungen bei teilweisem Obsiegen des Widerspruchsführers
Orientierungssatz
1. Der Kostenerstattungsanspruch des Rechtsanwalts für seine Tätigkeit im Widerspruchsverfahren besteht in dem Umfang, wie der Widerspruch erfolgreich gewesen ist. Hat der Widerspruch teilweise Erfolg, findet eine entsprechende Quotelung statt.
2. Ist Gegenstand des Widerspruchsverfahrens die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung nach einer bestimmten Pflegestufe, so richtet sich die Kostenerstattungsquote nicht nach dem Verfahrenszeitraum, sondern danach, für welche Teile des geltend gemachten Anspruchszeitraumes sich der Widerspruch als begründet erweist. Bei einer entsprechend wiederkehrenden Leistung erstreckt sich der geltend gemachte Anspruch vom beantragten Beginn hin über die zu erwartende Laufzeit der Leistung.
3. Bei der Bemessung des Verhältnisses des Umfangs des Unterliegens zum Umfang des Obsiegens für einen 78-jährigen Widerspruchsführer ist ein Unterliegen für einen Zeitraum von lediglich sechs Monaten gegenüber der voraussichtlichen Dauer der zuerkannten Pflegeleistungen zu vernachlässigen. Hieraus ergibt sich eine vollständige Kostentragungspflicht des Widerspruchsgegners.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 28. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten für den Berufungsrechtszug zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der der Klägerin durch die Beklagte zu erstattenden Kosten anwaltlicher Vertretung im Widerspruchsverfahren streitig.
Die 1928 geborene und bei der Beklagten versicherte Klägerin stellte im November 2005 erstmals einen Antrag auf Gewährung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung. Nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen e.V. (MDK) vom Dezember 2005 (Grundpflegebedarf 11 Minuten täglich) lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 3. Januar 2006 ab.
Im Laufe des anschließenden Widerspruchsverfahrens zeigte der Bevollmächtigte der Klägerin gegenüber der Beklagten am 3. April 2006 seine Bevollmächtigung an und beantragte Akteneinsicht. Diese übersandte ihm daraufhin das MDK-Gutachten vom Dezember 2005. Im Mai 2006 wurde die Klägerin erneut durch den MDK begutachtet, welcher nunmehr einen Grundpflegebedarf von 26 Minuten täglich feststellte. Nach Übersendung dieses Gutachtens setzte sich der Bevollmächtigte der Klägerin mit beiden MDK-Gutachten im Schriftsatz vom 29. Mai 2006 in über sieben Seiten auseinander und legte ein Privatgutachten der S. GmbH - Senioren- und Behinderten-Informationsservice vom 28. März 2006 vor, wonach sich ein Grundpflegebedarf von 84 Minuten ergibt. Am 8. August 2006 wurde die Klägerin nochmals durch den MDK begutachtet. Er stellt nunmehr einen Grundpflegebedarf von 48 Minuten fest und empfahl die Gewährung von Leistungen nach der Pflegestufe I ab Juni 2006. Daraufhin erteilte die Beklagte der Klägerin am 22. August 2006 einen Teilabhilfebescheid über die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe I ab 24. Juni 2006. Das Teilanerkenntnis nahm ihr Bevollmächtigter mit Schriftsatz vom 6. September 2006 unter Erledigungserklärung im Übrigen an und übersandte gleichzeitig seine Kostennote über insgesamt 1.229,60 €, wonach sich die Gebühren wie folgt zusammensetzten:
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Geschäftsgebühr Nr. 2500 VV |
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520,00 € |
Erledigungsgebühr Nr. 1005 VV, 1002 VV |
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520,00 € |
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV |
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20,00 € |
16% Umsatzsteuer Nr. 7008 VV |
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169,60 € |
Gesamtbetrag |
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1.229,60 € |
Mit Schreiben vom 5. Oktober 2006 teilte die Beklagte mit, sie erstatte die notwendigen Aufwendungen zu 1/3. Zeitgleich wies sie 143,07 € an.
Mit seinem Widerspruch vom 25. Oktober 2006 wandte sich der Bevollmächtigte der Klägerin gegen die Bestimmung einer Verteilungsquote. Die Beklagte wies ihn mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2007 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass eine Geschäftsgebühr in Höhe von ¼ über der Mittelgebühr, mithin 350 €, gerechtfertigt sei. Die Quotelung ergebe sich aus dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens der Klägerin.
Hiergegen hat sich die am 16. Mai 2007 vor dem Sozialgericht Gotha (SG) erhobene Klage gerichtet, mit der die Klägerin die Erstattung weiterer 1.086,53 € begehrt und zur Begründung im Wesentlichen die Auffassung geäußert hat, der Ansatz der Höchstgebühr sei gerechtfertigt, da die Sache überdurchschnittliche Bedeutung für sie habe. Darüber hinaus seien drei medizinische Gutachten zu untersuchen und zu analysieren gewesen. Schließlich sei auch die Erledigungsgebühr angefallen, weil es sich um eine Erledigung durch Teilanerkenntnis gehandelt habe. Eine Kostenquotelung sei nicht vorzunehmen. Angesichts ihres Verzichts auf die Leistung für die Zeit von November 2005 bis Mai 2006 und der Dauerbewilligung bis zu ihrem Lebensende sei eine Kostenquotelung unzulässig.
Nachdem ...