Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. Einpersonenhaushalt in Erfurt in Thüringen. Nichtvorliegen eines schlüssigen Konzepts des Grundsicherungsträgers. Heranziehung der Wohngeldtabelle. Notwendigkeit eines Sicherheitszuschlags
Leitsatz (amtlich)
1. Die Ermächtigung zur kommunalen Normsetzungsbefugnis nach § 22a Abs 1 SGB II (in der Fassung vom 13.5.2011) hat den rechtlichen Maßstab für die Bestimmung der Referenzmiete nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht verändert.
2. Im Rahmen einer Satzung eröffnet die Regelung in § 22c SGB II nur für den Satzungsgeber die Befugnis, als Daten für das eigene Unterkunftskonzept hilfsweise auch die Höchstbeträge nach § 12 Abs 1 WoGG heranzuziehen. Nicht maßgeblich ist die Regelung hingegen, soweit ein hilfsweise auf die Höchstbeträge nach § 12 Abs 1 WoGG gegründetes Unterkunftskonzept überhaupt nicht vom kommunalen Träger entwickelt ist.
3. Auch nach dem Inkrafttreten des § 22c SGB II ab 1.4.2011 ist daher die Tabelle nach § 12 WoGG nur mit einem Sicherheitszuschlag von 10 % als Angemessenheitsobergrenze (Deckelung der Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten) heranzuziehen, ohne dass damit die Bestimmung einer ungefähren auf den konkreten örtlichen Wohnungsmarkt bezogene Angemessenheitsgrenze verbunden ist. Der Zuschlag soll weiterhin sicherstellen, dass die Leistungsempfänger mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Betrag eine Unterkunft anmieten können, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 9. Dezember 2014 abgeändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Überprüfungsbescheides vom 21. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2012 verpflichtet, den Bescheid vom 12. Mai 2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23. Mai 2011 und 8. Juli 2011 für den Monat Juni 2011 sowie den Bescheid vom 12. Mai 2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23. Mai 2011, 23. August 2011 und 19. Oktober 2011 für den Monat Oktober 2011 abzuändern und der Klägerin für die Monate Juni 2011 und Oktober 2011 zusätzlich jeweils 31,35 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung zu zahlen.
Der Beklagte hat der Klägerin für beide Instanzen die Hälfte der Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin in den Monaten Juni und Oktober 2011 höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB II zustehen.
Die 1961 geborene, im dauernden Leistungsbezug stehende Klägerin lebte im streitgegenständlichen Zeitraum in einer 63 qm großen 3-Raum-Wohnung in der … in E.-K.
Ausweislich des Mietvertrages vom 1. Oktober 2001 war die Klägerin zur Zahlung einer Miete in Höhe von 526,16 Euro (381,76 Euro Kaltmiete, 144,40 Euro Betriebskosten-Vorauszahlung) verpflichtet. In der Folgezeit erfolgten jährliche Veränderungen aufgrund der Anpassung der Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen. Ausweislich eines Vermieterschreibens vom 20. März 2012 anlässlich eines Eigentümerwechsels der Wohnung zahlte die Klägerin absprachegemäß nur 430 Euro Gesamtmiete (300 Euro Kaltmiete, 130 Euro Betriebskosten-Vorauszahlung).
Der Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 29. August 2005 mit, dass ihre Kosten der Unterkunft und Heizung nicht angemessen seien. Für einen Ein-Personen-Haushalt gelte insoweit ein Maximalbetrag in Höhe von 301,50 Euro (211,50 Euro Netto-Kaltmiete, 90 Euro Betriebs- und Heizkosten).
In der Folgezeit berücksichtigte der Beklagte zunächst wie angekündigt bedarfsseitig nur die von ihm für angemessen gehaltenen Kosten der Unterkunft und Heizung. Unter Verweis auf die zwischenzeitlich erstellte Richtlinie der Stadt Erfurt erkannte der Beklagte für die Bewilligungszeiträume ab August 2010 Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 374,91 Euro (331,65 Euro Brutto-Kaltmiete, 43,26 Euro Heizkosten) - abzüglich des Warmwasseranteiles - an.
Mit Bescheid vom 12. Mai 2011 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum 1. Juni bis 30. November 2011 ebenfalls 374,91 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung. In der Folgezeit ergingen aufgrund der Anrechnung von Einkommen Änderungsbescheide am 23. Mai 2011 und 8. Juli 2011 betreffend den Monat Juni 2011 sowie am 23. Mai 2011, 23. August 2011 und 19. Oktober 2011 betreffend den Monat Oktober 2011. Der Beklagte erkannte unverändert Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 374,91 Euro an.
Am 2. Dezember 2011 beantragte die Klägerin - ohne weitere Begründung - die Überprüfung der Bewilligungsbescheide vom 8. Juli 2011 für den Monat Juni 2011, vom 23. August 2011 für die Monate September bis November 2011 und vom 19. Oktober 2011 für den Monat Oktober 2011. Mit Bescheid vom 21. Dezember 2011 teilte der Beklagte mit, dass diese Bescheide nicht zu beanstanden seien.
Gegen diesen Überprüfungsbescheid wandte sich die Klägerin mit gesondert erhobenen Widersprüchen vom...