Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltende Verfahrensregeln für das Beschwerdeverfahren, wenn das Verfahren erster Instanz vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden ist
Leitsatz (amtlich)
Gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG gelten auch für das Beschwerdeverfahren die bis zum 31.8.2009 geltenden Verfahrensregeln, wenn das Verfahren I. Instanz vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden ist. Art. 111 Abs. 2 FGG-RG steht nicht entgegen.
Normenkette
ZPO §§ 517, 621e; FGG-RG Art. 111 Abs. 1; FGG-RG und Beschwerdeverfahren Art. 111 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Sömmerda (Beschluss vom 25.11.2009; Aktenzeichen 2 F 320/08) |
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - S. vom 25.11.2009 - 2 F 320/08 - wird als unzulässig verworfen.
II. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde wird der Antragsgegnerin verweigert.
III. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Die Antragsgegnerin hat den übrigen Beteiligten deren außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
IV. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3000 EUR festgesetzt.
V. Der Antragsgegnerin wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren verweigert.
Gründe
Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind der Parteien T. A., geboren am 2.8.2001, dem Antragsteller alleine übertragen und den Antrag der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Der Beschluss des Familiengerichts wurde der anwaltlich vertretenen Antragsgegnerin ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 14.12.2009 zugestellt (Bl. 152b d A).
Die Antragsgegnerin hat durch ihren erstinstanzlichen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 14.1.2010 befristete Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss beim AG eingelegt und gleichzeitig beantragt, ihr für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.
Sie trägt vor, nach dem neuen FamFG habe jeder Beschluss eine Rechtsmittelbelehrung zu tragen, d.h., er müsse enthalten, wie, bis wann und wo er anfechtbar sei. Nachdem dies vorliegend unterblieben sei, werde von der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ausgegangen.
Der erstinstanzliche Bevollmächtigte habe die Beschwerde nur fristwahrend eingelegt und werde die Antragsgegnerin in dieser Angelegenheit nicht weiter vertreten. Es werde sich zeitnah eine andere Rechtsanwaltskanzlei melden.
Die an das AG adressierte Beschwerdeschrift der Antragsgegnerin vom 14.1.2010 ist dort am 14.1.2010 gegen 17.48 Uhr - nach Dienstschluss - eingegangen und wurde gem. Verfügung der Familienrichterin vom 19.1.2010 nebst Akten an das OLG Jena übersandt, wo die Akten ausweislich des Eingangsstempels am 21.1.2010 eingegangen sind (Bl. 159d A).
Mit Verfügung vom 22.1.2010 hat der Senat die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass auf das vorliegende Beschwerdeverfahren das vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltende Recht weiterhin anwendbar sei, denn das Verfahren sei vor diesem Zeitpunkt bei Gericht eingegangen. Das AG habe am 19.1.2010 die Weiterleitung der Beschwerde an das OLG Jena verfügt. Diese Verfügung sei am selben Tage ausgeführt worden. Die Akte sei mit der Beschwerde am 21.1.2010 und mithin nach Ablauf der Beschwerdefrist bei dem OLG Jena eingegangen.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 1.2.2010 Wiedereinsetzung beantragt und sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - S. vom 25.11.2009 eingelegt.
Die Bevollmächtigte der Antragsgegnerin trägt vor, sie sei am 21.1.2010 von der Antragsgegnerin bevollmächtigt worden. Erst durch einen Artikel in der Zeitschrift "forum familienrecht 1/2010", ihr zugegangen vor ca. 3 Tagen, habe sie sichere Kenntnis unter Verweis auf eine noch in allen Zeitschriften veröffentlichte Entscheidung des BGH vom 25.11.2009 - Az. XII ZR 8/08 darüber erhalten, dass der BGH das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht in den Verfahren anwende, in denen der Rechtsstreit - wie hier - vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden sei.
Die bisher unklare Rechtslage zur Einlegung von Rechtsmitteln bei "Altfällen" könne nicht zu Lasten der Antragsgegnerin gehen, so dass dem Antrag auf Wiedereinsetzung stattzugeben sei.
Der Antragsteller beantragt,
I. den Antrag auf Wiedereinsetzung abzuweisen und
II. ihm für das Wiedereinsetzungsverfahren Verfahrenskostenhilfe unter anwaltlicher Beiordnung zu bewilligen.
Er führt an, die Versäumung der Frist sei nicht nur darauf zurückzuführen, dass die Beschwerde beim falschen Gericht eingelegt worden sei, sondern auch, dass die Einlegung des Rechtsmittels erst am letzten Tag des Ablaufes der Rechtsmittelfrist, nämlich am 14.1.2010 erfolgt sei.
Eine unklare Rechtslage sei nicht anzunehmen. Die zitierte Entscheidung des BGH habe bereits am 25.11.2009 vorgelegen und sei in der Datenbank des BGH auf der Homepage veröffentlicht worden. Mehr als 1,5 Monate nach der Entscheidun...