Leitsatz (amtlich)

Zum Verhältnis der §§ 329 Abs. 4, 411 Abs. 2 StPO und zu den Anforderungen an die Begründung einer Berufungsverwerfung im Fortsetzungstermin bei Ausbleiben des Angeklagten trotz Anordnung seines persönlichen Erscheinens.

 

Verfahrensgang

LG Gera (Entscheidung vom 25.04.2019; Aktenzeichen 5 Ns 150 Js 2678/18)

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts - 5. Strafkammer - Gera vom 25.04.2019 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Gera zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Pößneck erließ gegen den Angeklagten am 22.02.2018 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr einen Strafbefehl, mit dem es eine Geldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen zu je 20 € verhängte, dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzog, seinen Führerschein einzog und die Verwaltungsbehörde anwies, ihm für die Dauer von 7 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Auf den dagegen eingelegten Einspruch verurteilte das Amtsgericht Pößneck den Angeklagten am 19.09.2018 wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 20 €, entzog ihm die Fahrerlaubnis, zog seinen Führerschein ein und wies die Verwaltungsbehörde an, ihm vor Ablauf von noch 6 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

In dem auf das - zutreffend als Berufung behandelte - unbenannte Rechtsmittel des Angeklagten anberaumten Termin zur Berufungshauptverhandlung am 11.04.2019 erschien der Angeklagte - ankündigungsgemäß - nicht und ließ sich durch seinen mit entsprechender Vertretungsvollmacht versehenen Verteidiger vertreten. Nach einem Hinweis des Vorsitzenden, dass das Gericht nach § 329 Abs. 4 StPO eine Verhandlung ohne die Anwesenheit des Angeklagten nicht für sachgerecht halte, wurde sodann gleichwohl verhandelt und mit der Beweisaufnahme begonnen. Im weiteren Verlauf wurde die Hauptverhandlung mit der Ankündigung unterbrochen, dass der Angeklagte zum Fortsetzungstermin am 25.04.2019 nochmals mit der Anordnung seines persönlichen Erscheinens und der Belehrung über die Möglichkeit der Verwerfung im Falle des Nichterscheinens geladen werden solle. Ein (unter Mitwirkung der Schöffen ergangener) Gerichtsbeschluss über die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Angeklagten zum Fortsetzungstermin ergibt sich aus dem Protokoll nicht.

Mit Verfügung vom 11.04.2019 ordnete der Vorsitzende das persönliche Erscheinen des Angeklagten sowie dessen Ladung zum Fortsetzungstermin am 25.04.2019 an. Nachdem der ordnungsgemäß geladene Angeklagte auch zu diesem Termin - wiederum mit Vorankündigung - nicht erschienen war und sich durch seinen Verteidiger vertreten ließ, verwarf die Berufungskammer seine Berufung gemäß § 329 Abs. 4 Satz 2 StPO. In den Gründen des - zunächst den amtsgerichtlich festgestellten Sachverhalt zitierenden - Berufungsurteils heißt es hierzu:

"Im Termin zur ersten Berufungsverhandlung am 11.04.2019 ist der Angeklagte dann wie angekündigt nicht erschienen. Er wurde durch den Verteidiger vertreten. Nach Durchführung der Beweisaufnahme in diesem Termin hielt die Kammer es für erforderlich, den Angeklagten zum Fortsetzungstermin zu laden, verbunden mit der Anordnung seines persönlichen Erscheinens und der Belehrung über die Möglichkeit der Verwerfung im Falle des Nichterscheinens. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme erschien der Kammer nach vorläufiger Bewertung eine Bestätigung des amtsgerichtlichen Schuldspruchs als naheliegend. Somit war auch über die Frage einer Maßregel der Besserung und Sicherung nach den §§ 69, 69a StGB zu entscheiden. Dies geht zur Überzeugung der Kammer sachgerecht nur aufgrund der Gewinnung eines persönlichen Eindrucks von dem Angeklagten. ... Zu dem Fortsetzungstermin ist der Angeklagte ohne genügende Entschuldigung nicht erschienen. Die Kammer hielt seine Anwesenheit aus den oben genannten Gründen weiterhin für erforderlich".

Gegen das Berufungsurteil hat der Angeklagte mit Verteidigerschriftsatz vom 26.04.2019, eingegangen beim Landgericht Gera am selben Tag, Revision eingelegt, die er nach am 22.05.2019 erfolgter Zustellung des schriftlichen Urteils mit am 24.06.2019 (Montag) beim Landgericht Gera eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tag mit der näher ausgeführten Verfahrensrüge der Verletzung der §§ 329 Abs. 4, 411 Abs. 2 Satz 1 StPO und der allgemeinen Sachrüge begründet hat. Er macht geltend, dass die Verwerfung der Berufung wegen der im Strafbefehlsverfahren nach § 411 Abs. 2 StPO bestehenden Möglichkeit der Vertretung durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger nicht gerechtfertigt sei. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum das Landgericht auf dem persönlichen Erscheinen des Angeklagten bestanden habe, der sich ausschließlich und alleine über seinen Verteidiger erkläre, um über die Frage der Maßregel der Besserung und Sicherung zu entscheiden.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft beantragt in i...

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