Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an eine Verfahrensrüge bei geltend gemachter Verletzung des § 329 Abs. 4 Satz 1 StPO

 

Orientierungssatz

Orientierungssatz:

Zu den Anforderungen an eine Verfahrensrüge bei geltend gemachter Verletzung des § 329 Abs. 4 Satz 1 StPO.

 

Normenkette

StPO § 329 Abs. 4 S. 1, § 344 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Gera (Entscheidung vom 06.11.2020; Aktenzeichen 5 Ns 260 Js 20887/19 (2))

 

Tenor

Die Revision wird auf Kosten der Angeklagten verworfen.

 

Gründe

Die Revision ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO und war auf den dahingehenden, der Angeklagten über ihren Verteidiger am 09.03.2021 zugestellten Antrag der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft vom 23.02.2021 zu verwerfen.

Ergänzend zu den dortigen Ausführungen, die der Senat - ungeachtet der bemerkenswerter Weise gänzlich fehlenden Auseinandersetzung mit dem veröffentlichten und von der Verteidigung auch zitierten Senatsbeschluss vom 01.10.2019 (1 OLG 161 Ss 83/19, bei juris sowie StraFo 2020, 420) - jedenfalls im Ergebnis teilt, ist allerdings Folgendes anzumerken:

1.

Zu dem Verhältnis der §§ 329 Abs. 4, 411 Abs. 2 StPO, namentlich zu der Frage, ob die Vertretungsmöglichkeit gem. § 411 Abs. 2 StPO in ihrem Anwendungsbereich auch eine Verwerfung der Berufung nach § 329 Abs. 4 Satz 2 StPO (trotz eigens anberaumten Fortsetzungstermins und Anordnung persönlichen Erscheinens) von vornherein ausschließt, wenn ein ordnungsgemäß bevollmächtigter Vertreter i. S. d. § 411 Abs. 2 StPO erscheint, hat sich der Senat bereits in dem vorgenannten Beschluss geäußert und ausgeführt, dass systematische Stellung, Wortlaut und Gesetzeszweck der Regelung in § 329 Abs. 4 StPO eher dafür sprechen, die Verwerfungsmöglichkeit des § 329 Abs. 4 Satz 2 StPO im Grundsatz auch in den durch einen Strafbefehl eingeleiteten Verfahren anzuerkennen.

Neben dem Argument der spezielleren und damit vorrangigen Regelung in § 329 Abs. 4 StPO ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass es wenig einleuchtend erscheint, die Verwerfung des Rechtsmittels ohne Sachprüfung wegen unentschuldigten Ausbleibens des Angeklagten im Fortsetzungstermin gerade in den regelmäßig eher einfacher gelagerten und mit geringerer Rechtsfolgenerwartung verknüpften (§ 407 Abs. 1 und 2 StPO) Strafbefehlsverfahren auszuschließen (mit der Konsequenz, dort die Anwesenheit ggf. zwangsweise durch Vorführung oder Verhaftung durchsetzen zu müssen!), sie im Übrigen aber - trotz Erscheinens eines ordnungsgemäß bevollmächtigten Vertreters i. S. d. § 329 Abs. 1 StPO - zuzulassen bzw. sogar vorzuschreiben ("... hat das Gericht die Berufung zu verwerfen").

An dieser - seinerzeit in einem obiter dictum geäußerten und nunmehr die angefochtene Entscheidung (derselben Berufungskammer) tragenden - Rechtsauffassung ist festzuhalten.

Die bei der Verfahrenseinleitung durch Strafbefehl für das gesamte weitere Verfahren (nach Einspruch) grundsätzlich bestehende Vertretungsmöglichkeit gem. § 411 Abs. 2 StPO steht der Verwerfung einer Berufung im Fortsetzungstermin gemäß § 329 Abs. 4 StPO mithin nicht entgegen.

2.

Auch im Übrigen deckt die Nachprüfung des angefochtenen Verwerfungsurteils anhand der allein in zulässiger Weise erhobenen Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf. Die Verfahrensrüge der Verletzung des § 329 Abs. 4 StPO ist entgegen den Ausführungen in der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft wegen unvollständigen Vortrags des maßgeblichen Verhandlungsgeschehens - namentlich wegen vollständig fehlender Mitteilung des Inhalts des nach Auffassung der Berufungskammer (u. a.) die Erforderlichkeit der Anwesenheit der Angeklagten in der Hauptverhandlung begründenden Beweisantrags vom 21.10.2020 - bereits unzulässig, so dass sich die Revision insgesamt als unbegründet erweist (§ 349 Abs. 2 StPO).

a)

Die neben der Verfahrensrüge von der Revision erhobene allgemeine Sachrüge führt, weil das angefochtene Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 4 StPO keinen sachlich-rechtlichen Inhalt aufweist, nur zur Prüfung der Frage, ob Verfahrenshindernisse vorliegen. Das ist nicht der Fall.

b)

Soweit das Verfahren, namentlich eine fehlerhafte Anwendung des § 329 Abs. 4 StPO mangels Erforderlichkeit der persönlichen Anwesenheit der Angeklagten beanstandet wird, ist eine den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügende Verfahrensrüge nicht erhoben.

aa) Nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO hat der Revisionsführer, der eine Verletzung des formellen Rechts rügt, im Rahmen der Revisionsbegründung innerhalb offener Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 StPO) für jede Rüge mitsamt der mit ihr intendierten spezifischen Angriffsrichtung die den Mangel begründenden Tatsachen objektiv richtig und aus sich heraus verständlich ohne Bezugnahmen und Verweisungen so vollständig, genau und bestimmt mitzuteilen, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Angaben in der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden. Mit vorzutragen ist auch ein etwaiges verf...

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