Leitsatz (amtlich)
Wird ein Betroffener von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden, ist für eine Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG auch dann kein Raum, wenn der zum Termin geladene Verteidiger gleichfalls nicht erscheint.
Verfahrensgang
AG Gera (Entscheidung vom 18.11.2002; Aktenzeichen 260 Js 23604/02 - 13 Owi) |
Tenor
Das Urteil des Amtsgerichts Gera vom 18.11.2002 wird aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Gera zurückverwiesen.
Gründe
I.
Mit Bußgeldbescheid vom 03.04.2002 wurde gegen den Betroffenen wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 33 km/h ein Bußgeld von 115,- EUR sowie ein Fahrverbot von 1 Monat festgesetzt.
Auf den rechtzeitigen Einspruch bestimmte das Amtsgericht Gera Termin zur Hauptverhandlung auf den 18.11.2002. Mit Schriftsatz vom 08.11.2002 beantragte der Betroffene durch seine Verteidiger, ihn von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu entbinden. Diesem Antrag wurde mit Beschluss vom 11.11.2002 durch das Amtsgericht entsprochen.
Nachdem am 18.11.2002 weder der Betroffene noch sein Verteidiger erschienen war, verwarf das Amtsgericht den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nach § 74 Abs. 2 OWiG.
Gegen dieses Urteil des Amtsgerichts Gera vom 18.11.2002 wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, die form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden ist.
II.
Zwar ist in dem Einlegungsschreiben des Verteidigers vom 16.12.2002 beantragt worden, die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Gemäß § 300 StPO ist das Rechtsmittel aber als Rechtsbeschwerde anzusehen, die nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthaft ist, da im Bußgeldbescheid vom 03.04.2002 ein Fahrverbot angeordnet worden war.
Die erhobene Sachrüge führt, da das angefochtene Urteil eine sachliche Entscheidung nicht enthält, lediglich zur Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen, die gegeben waren. Hingegen hat das Rechtsmittel auf die im erforderlichen Umfang ausgeführte Verfahrensrüge, mit der die fehlerhafte Anwendung des § 74 Abs. 2 OWiG geltend gemacht wird, einen vorläufigen Erfolg.
Nach § 74 Abs. 2 OWiG hat das Gericht, wenn ein Betroffener ohne genügende Entschuldigung ausbleibt, obwohl er von der Verpflichtung zum Erscheinen nicht entbunden war, den Einspruch ohne Verhandlung zur Sache durch Urteil zu verwerfen. Diese Voraussetzungen lagen hier ersichtlich nicht vor. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 11.11.2002 wurde der Betroffene nämlich von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden. Damit hätte das Amtsgericht in der Hauptverhandlung vom 18.12.2002 nach § 74 Abs. 1 Satz 1 OWiG verfahren müssen. Dass der Verteidiger zum Hauptverhandlungstermin gleichfalls nicht erschien, ist unerheblich. Im Übrigen verpflichtet § 73 Abs. 3 OWiG einen Betroffenen nicht, sich durch einen bevollmächtigten Verteidiger vertreten zu lassen. Zudem ist der (bevollmächtigte) Verteidiger auch nicht verpflichtet, im Fall des Nichterscheinens des von seiner Anwesenheitspflicht befreiten Betroffenen an der Hauptverhandlung teilzunehmen mit der Folge, dass der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid verworfen werden muss, wenn der Verteidiger nicht erscheint (vgl. OLG Hamm, ZfS 2002, 44).
Der dargestellte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Amtsgericht Gera, das auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu befinden haben wird.
Fundstellen
Haufe-Index 2577635 |
VRS 2004, 301 |
ZfS 2004, 235 |
StraFo 2004, 176 |
www.judicialis.de 2003 |