Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitweile Testierunfähigkeit bei einem nicht datierbaren Testament
Leitsatz (amtlich)
Im Erbscheinverfahren trägt grundsätzlich derjenige die Feststellungslast für die Testierunfähigkeit als eine das Erbrecht vernichtende Tatsache, der sich auf die Unwirksamkeit eines Testaments beruft. Ist jedoch das Testament nicht datiert und auch nicht aufgrund sonstiger Umstände datierbar, trifft die Feststellungslast denjenigen, der Rechte hieraus für sich in Anspruch nimmt, wenn feststeht, dass der Erblasser zu irgendeinem Zeitpunkt während des in Betracht kommenden Zeitraums der Testamentserrichtung testierunfähig war, § 2247 Abs. 5 BGB analog.
Verfahrensgang
LG Gera (Beschluss vom 22.10.2004; Aktenzeichen 5 T 214/03) |
AG Jena (Beschluss vom 26.03.2003; Aktenzeichen 9 VI 535/01) |
Tenor
1. Der Beschluss des LG Gera vom 22.10.2004 (Az.: 5 T 214/04) wird aufgehoben.
Der Beschluss des AG Jena vom 26.3.2003 (Az. 9 VI 535/01) wird abgeändert:
Das AG wird angewiesen, der Beteiligten zu 2., Ursula Kaie, keinen Erbschein aufgrund des undatierten, sie zur Alleinerbin bestimmenden Testaments der Erblasserin (Bl. 7 d.A.) zu erteilen.
2. Die Beteiligte zu 2) hat die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1), auch soweit sie in den Vorinstanzen entstanden sind, zu tragen.
3. Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 277.980 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 2) (im Folgenden: Antragstellerin) hat die Erteilung eines Erbscheins nach der am 30.7.2001 verstorbenen Ludgard L. beantragt, wonach sie testamentarische Alleinerbin geworden sei. Zur Begründung bezieht sie sich auf ein undatiertes handschriftliches Testament der Erblasserin (vgl. beglaubigte Abschr. Bl. 7 d.A.), das sie zur Alleinerbin bestimmt. Das AG hat am 26.3.2003 einen Vorbescheid erlassen, wonach es dem vorgenannten Antrag der Antragstellerin stattzugeben beabsichtigt. Die hiergegen eingelegte Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) (im Folgenden: Antragsgegnerin), die ihrerseits aufgrund einer letztwilligen Verfügung der Erblasserin vom 25.6.1996 die Erteilung eines sie selbst als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins beantragt hatte, hat das LG am 22.10.2004 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie Verfahrensmängel und die fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts geltend macht.
Hinsichtlich der Sachverhaltsdarstellung und der für die Entscheidungen der Vorinstanzen maßgebenden Gründe nimmt der Senat auf den angefochtenen Beschluss des LG, hinsichtlich des Beteiligtenvorbringens im Verfahren der Rechtsbeschwerde auf die Beschwerdebegründung vom 17.11.2004 und die Beschwerdeerwiderung vom 25.4.2005 Bezug.
II. Die zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Abänderung der mit der Erstbeschwerde angefochtenen Entscheidung des AG, weil die landgerichtliche Beschwerdeentscheidung auf Gesetzesverletzungen beruht (§§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG, 546 ZPO). Das undatierte und nicht datierbare Testament vermag vor dem Hintergrund einer zeitweiligen Testierunfähigkeit der Erblasserin die Erteilung eines Erbscheins zugunsten der Antragstellerin nicht zu begründen.
1. Die Feststellungen hinsichtlich des mutmaßlichen Errichtungszeitraums des undatierten handschriftlichen Testaments und der Testierfähigkeit der Erblasserin liegen im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. An rechtsfehlerfrei getroffene Feststellungen des Tatrichters ist das Rechtsbeschwerdegericht gebunden (§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG i.V.m. § 559 Abs. 1 ZPO). Die Beweiswürdigung, insb. die Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Beteiligten oder eines Zeugen, ist Teil der Tatsachenfeststellung. Diese kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden, nämlich darauf, ob der Tatrichter den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat, bei der Würdigung der Beweismittel nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, gegen Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat und schließlich, ob er die Beweisanforderungen zu hoch oder zu niedrig angesetzt hat (vgl. BayObLG v. 5.2.1992 - BReg.1 Z 28/91, FamRZ 1992, 1206; v. 3.12.1998 - 1 Z BR 164/97, BayObLG NJW-RR 1999, 446).
2. Der angefochtene Beschluss leidet an Mängeln im vorgenannten Sinne. Zunächst nimmt der Senat auf seinen rechtlichen Hinweis vom 11.3.2005 (Bl. 592 ff. d.A.) Bezug. Die darin erhobenen Bedenken gegen die Beweiswürdigung und die Anwendung der Regeln der Feststellungslast durch das LG werden durch die Beschwerdeerwiderung vom 25.4.2005 nicht ausgeräumt.
Nach den Feststellungen des LG litt die Erblasserin im maßgeblichen Testierzeitraum zwischen Oktober 2000 und ihrem Todestag am 30.7.2001 an einer "mittelschweren vaskulären Demenz" (BA S. 12). Der Zustand der Erblasserin sei während dieses Zeitraums starken Schwankungen unterlegen gewesen, wie sie für eine vaskuläre Demenz diesen Grades typisch seien (...