Leitsatz (amtlich)
In bestimmten Ausnahmekonstellationen können auch die Mehrkosten eines an einem dritten Ort ansässigen Bevollmächtigten notwendig und damit erstattungsfähig sein, so wenn Besonderheiten etwa in der Betriebsorganisation oder in der zu vertretenden Sache bestehen. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn ein spezialisierter auswärtiger Rechtsanwalt mandatiert ist und ein vergleichbarer Anwalt am Wohnort der Partei nicht beauftragt werden kann.
Normenkette
ZPO § 91
Verfahrensgang
LG Meiningen (Beschluss vom 12.07.2012; Aktenzeichen 3 O 443/09) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfesetzungsbeschluss des LG Meiningen vom 12.7.2012 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
4. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 201,90 EUR festgesetzt.
Gründe
Die gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Meiningen vom 12.7.2012 hat in der Sache keinen Erfolg.
Die unterlegene Partei hat die dem Gegner erwachsenen Kosten - einschließlich der Reisekosten eines Rechtsanwalts - gem. § 91 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 ZPO zu erstatten, soweit diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Notwendigkeit bemisst sich danach, was eine vernünftige und kostenorientierte Partei als sachdienlich ansehen durfte (vgl. BGH, Beschl. v. 11.3.2004 - VII ZB 27/03; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 91 Rz. 12).
Grundsätzlich ist nach ständiger Senatsrechtsprechung (vgl. nur Beschlüsse vom 9.3.2011 - 9 W 102/11; v. 9.5.2011 - 9 W 211/11) davon auszugehen, dass die Reisekosten eines Rechtsanwalts, der weder am Gerichtsort noch am Sitz der vertretenen Partei ansässig ist, nur bis zur Höhe der fiktiv durch die Einschaltung eines an den genannten Orten ansässigen Bevollmächtigten als notwendig und damit erstattungsfähig anzusehen sind (so auch: BGH v. 18.12.2003 - I ZB 21/03; OLG Düsseldorf vom 3.8.2006 - 10 W 49/06).
Allerdings können in bestimmten Ausnahmekonstellationen auch die Mehrkosten eines an einem dritten Ort ansässigen Bevollmächtigten notwendig und damit erstattungsfähig sein, so wenn Besonderheiten etwa in der Betriebsorganisation oder in der zu vertretenden Sache bestehen (vgl. BGH, Beschl. v. 20.5.2008 - VIII ZB 92/07). Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn ein spezialisierter auswärtiger Rechtsanwalt mandatiert ist und ein vergleichbarer Anwalt am Wohnort der Partei nicht beauftragt werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 22.2.2007 - VII ZB 93/06; v. 12.12.2002 - I ZB 29/02; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.9.2007 - 10 W 121/07; KG, Beschl. v. 29.4.2010 - 2 W 2071/09). Dies ist im vorliegenden Rechtsstreit, in dem es um die möglicherweise fehlerhafte Implantation eines Port-Systems bei der Klägerin ging, zu bejahen. Der Beklagten standen an ihrem Sitz bzw. im Gerichtsbezirk keine geeigneten, ausreichend spezialisierte Rechtsanwälte zur Verfügung. Dies ergibt sich bereits aus der allgemein zugänglichen Auskunft des Deutschen Anwaltvereins ("Deutsche Anwaltsauskunft") und wurde von der mit der Sachentscheidung betrauten Kammer des LG bestätigt. Hinzu kommt, dass sich die Beklagte regelmäßig von der Kanzlei ihres hiesigen - zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch in Leipzig ansässigen und insofern hier keine außer Verhältnis stehenden Reisekosten auslösenden - Prozessbevollmächtigten vertreten lässt und daher von einem besonderen Vertrauensverhältnis auszugehen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Gründe, gem. § 574 ZPO die Rechtsbeschwerde zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Der Beschwerdewert wurde in Höhe des Kosteninteresses der Klägerin festgesetzt.
Fundstellen
Haufe-Index 3417798 |
NJW 2013, 8 |
MDR 2012, 1437 |
AGS 2013, 151 |