Verfahrensgang
LG Gera (Entscheidung vom 24.11.2006; Aktenzeichen 150 Js 354776/05 - 3 Ns) |
Tenor
Die Revision wird auf Antrag der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft gemäߧ349 Abs. 2 StPO auf Kosten des Angeklagten verworfen, weil die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung im Ergebnis keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Gründe
Der Senat folgt dem Landgericht insoweit nicht, als es das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals der Fahrunsicherheit (§316 Abs. 1 StGB) allein aus der Höhe des sog. ClF-Wertes geschlussfolgert und damit die Fahrunsicherheit absolut, nämlich allein auf der Grundlage des in der Blutprobe nachgewiesenen Substanzen, bestimmt hat.
Nach wie vor gilt, dass eine absolute Fahrunsicherheit nach Genuss von Drogen aufgrund eines positiven Wirkstoffspiegels im Blut nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch nicht begründen ist (siehe etwa Senatsbeschluss vom 22.02.2006, 1 Ws 54/06; bei [...] Rdnr. 11 m.w.N.; OLG Zweibrücken Blutalkohol 42 (2005), 257). Der sogenannte CIF-Wert kann nach Auffassung des Senats als wichtiger Indikator für die drogenbedingte Fahrunsicherheit gelten, ihn als "Grenzwert" für die Annahme absoluter Fahrunsicherheit nach Drogenkonsum anzuerkennen, ist es in Anbetracht des Standes der wissenschaftlichen Diskussion indes noch zu früh.
Einer Aufhebung des Urteils und einer Zurückverweisung der Sache an das Landgericht bedarf es jedoch nicht. Die vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen erlauben dem Senat die rechtliche Beurteilung, dass bei dem Angeklagten sog. relative Fahrunsicherheit vorgelegen hat, die ebenfalls den Tatbestand des §316 StGB erfüllt.
Relative Fahruntüchtigkeit infolge Drogenkonsums liegt vor, wenn aufgrund des konkreten rauschmittelbedingten Leistungsbildes des Beschuldigten im Einzelfall der Nachweis geführt ist, dass er nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen (vgl. BGHSt 44, 219, 225). Dazu bedarf es außer des positiven Blutwirkstoffbefundes regelmäßig weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen, insbesondere Ausfallerscheinungen. Allerdings sind die Anforderungen an Art und Ausmaß drogenbedingter Ausfallerscheinungen um so geringer, je höher die im Blut festgestellte Wirkstoffkonzentration ist (siehe BGHSt 44, 219, 225).
Die aufgrund der entnommenen Blutprobe des Angeklagten gemessenen Wirkstoffkonzentrationen sind bereits je für sich betrachtet hoch. Dies gilt insbesondere für die Konzentration von Tetrahydrocannabinol (THC) von 26,2 ng/ml.
Hinzu kommt, dass der Angeklagte neben THC weitere rauschwirksame Substanzen in erheblicher Menge im Blut hatte, die sich nach den getroffenen Feststellungen gegenseitig noch verstärkten. Dies belegt auch der von dem rechtsmedizinischen Sachverständigen errechnete CIF-Wert. Trotz des in die Berechnung des CIF-Wertes als Quotient eingeflossenen sehr hohen - und damit auf einen ständigen Drogenkonsum hinweisenden - Tetrahydrocannabinol-Carbonsäure-Gehaltes (THC-COOH) von 168,2 ng/ml lag der CIF-Wert des Beschuldigten bei 20,5.
Das Verhältnis des gemessenen Gehaltes von 11-Hydroxy-Tetrahydrocannabinol von 5,6 ng/ml zum Gehalt an Tetrahydrocannabinol von 26,2 ng/ml belegt zudem einen sehr zeitnahen Konsum der entsprechenden Drogen.
Ein weiteres deutliches Indiz für die Fahrunsicherheit des Angeklagten im Tatzeitpunkt ist die von den Polizeibeamten mittels Pupillenreaktionstest festgestellte verzögerte Reaktion der Augen des Angeklagten auf Lichteinfall, die drogenbedingt ist.
Schließlich wurde durch die Polizei auch ein rauschtypischer Fahrfehler des Angeklagten festgestellt. Ohne ersichtlichen oder vom Beschuldigten auch nur plausibel geschilderten Grund vollzog er eine unmotivierte Lenkbewegung, die für Außenstehende gut wahrnehmbar war und die beobachtenden Polizeibeamten u.a. zum Anhalten des Angeklagten veranlasste.
Die Gesamtheit dieser getroffenen Feststellungen zwingt zur Annahme relativer Fahrunsicherheit des Angeklagten im Tatzeitpunkt, sodass die Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu Recht erfolgt ist.
Im Übrigen verweist der Senat auf die dem Verteidiger des Angeklagten zur Kenntnis gegebenen Stellungnahme der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft vom 19.03.2007.
Fundstellen
Haufe-Index 2577682 |
StraFo 2007, 300 |
BA 2008, 75 |