Entscheidungsstichwort (Thema)
Reisekosten auswärtiger Prozessbevollmächtigter erstattungsfähig bis zur Höhe der Kosten eines Unterbevollmächtigten
Normenkette
ZPO §§ 78, 91 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Gera (Aktenzeichen 7 O 839/00) |
Tenor
1. Der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Gera vom 26.1.2001 wird unter gleichzeitiger Aufhebung des Nichtabhilfebeschlusses vom 20.3.2001 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden auf 6.729,61 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 2.10.2000 festgesetzt
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 700,64 DM festgesetzt.
Gründe
Die gem. § 11 Abs. 1 n.F. RPflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 3, 577 Abs. 2 ZPO als sofortige Beschwerde zu behandelnde „Erinnerung” der Klägerin vom 1.2.2001 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Gera vom 26.1.2001, die dieser mit Formularbeschluss – der sich mit den Gründen der sofortigen Beschwerde mit keinem Wort auseinandersetzt und deshalb eine eigentliche Abhilfe-/Nichtabhilfeentscheidung nicht darstellt – nicht abgeholfen hat, ist zulässig und in vollem Umfang begründet.
I. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Gera vom 26.1.2001 sind die vom Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 6.064 DM nebst Zinsen festgesetzt worden. Nicht berücksichtigt hat die Rechtspflegerin hierbei die von der Klägerin im Zusammenhang mit der Terminswahrnehmung vor dem LG Gera am 6.7.2000 beantragten Reisekosten ihrer Prozessbevollmächtigten aus Düsseldorf.
Die Klägerin hat durch ihre Prozessbevollmächtigten, die für die Klägerin bereits als Mahnanwälte tätig waren, gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss eine als sofortige Beschwerde zu behandelnde „Erinnerung” eingelegt. Sie rügt die Nichtberücksichtigung der zur Kostenfestsetzung „angemeldeten” Reise- und Übernachtungskosten im Zusammenhang mit der Wahrnehmung des mündlichen Verhandlungstermins vom 6.7.2000 vor dem LG Gera, die sich – nachdem die Klägerin vorsteuerabzugsberechtigt ist – netto wie folgt zusammensetzen:
Fahrtkosten, § 28 Abs. 2 BRAGO, 682 km × 0,52 DM 510,64 DM
Abwesenheitsgeld, mehr als 8 Stunden, § 28 Abs. 3 BRAGO 110,00 DM
Übernachtungsgeld, § 28 Abs. 3 BRAGO 80,00 DM
700,64 DM
Der Beklagte wendet sich gegen die sofortige Beschwerde.
Durch sich mit den Gründen der sofortigen Beschwerde, die insbesondere darauf abstellen, dass die Klägerin nach Überleitung ins streitige Verfahren berechtigt gewesen sei, insoweit weiterhin ihre bislang im Mahnverfahren bereits tätig gewordenen ortsansässigen Prozessbevollmächtigten zu mandatieren, nicht auseinandersetzendem Nichtabhilfebeschluss der Rechtspflegerin vom 20.3.2001 ist die sofortige Beschwerde dem Senat zur Entscheidung vorgelegt worden.
Die Rechtspflegerin hat zu Unrecht die von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin geltend gemachten Reisekosten sowie das Übernachtungsgeld nach § 28 BRAGO i.H.v. insgesamt netto 700,64 DM bei der Kostenfestsetzung unberücksichtigt gelassen.
1. Nachdem aufgrund der seit 1.1.2000 geltenden Fassung des § 78 Abs. 1 ZPO die örtliche Beschränkung der Postulationsfähigkeit der Rechtsanwälte weggefallen ist und nunmehr für den Rechtsanwalt – im Gegensatz zur alten Rechtslage, wonach ein Rechtsanwalt bei dem Prozessgericht zugelassen sein musste, um dort auftreten zu können – die Zulassung bei einem beliebigen LG im Bundesgebiet ausreichend ist, um bei allen LG im Bundesgebiet auftreten zu können (für die AG galt dies auch schon nach altem Recht), stellt sich in verstärktem Umfang im Rahmen der Kostenfestsetzungsverfahren die Frage nach der Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines auswärtigen, nicht bei dem Prozessgericht i.S.d. §§ 18 ff. BRAGO zugelassenen, dort aber seit der Neufassung des § 78 ZPO postulationsfähigen Rechtsanwaltes.
Die hierzu ergangene Rechtsprechung der Obergerichte ist nicht einheitlich.
a) So wird zum einen die Ansicht vertreten, die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten des Prozessbevollmächtigten sei neu zu beurteilen und diese seien bei der Beauftragung eines in der Nähe des Sitzes der Partei residierenden Rechtsanwaltes grundsätzlich zu erstatten (OLG Düsseldorf v. 14.12.2000 – 10 W 107/00, MDR 2001, 475; OLG Düsseldorf v. 15.1.2001 – 2 W 56/00, OLGR Düsseldorf 2001, 375; Hans. OLG Bremen JurBüro 2001, Heft 10; OLG Frankfurt JurBüro 2000, 587).
b) Das Kammergericht verneint die Erstattungsfähigkeit dann, wenn der Gegenstand des Rechtsstreits aus Sicht der Partei ein einfach gelagerter Routinefall ist. Das OLG Schleswig (OLG Schleswig v. 31.10.2000 – 9 W 145/00, OLGR Schleswig 2001, 51) meint, die Reisekosten seien dann nicht zu erstatten, wenn die Beauftragung eines Unterbevollmächtigten geringere Kosten ausgelöst hätte. Das OLG Hamm (OLG Hamm JurBüro 2001, 484; OLG Hamm v. 12.2.2001 – 23 W 8/01, OLGR Hamm 2001, 185 = MDR 2001, 959) hat für die Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Unterbevo...