Verfahrensgang
LG Mühlhausen (Entscheidung vom 09.11.1999; Aktenzeichen 10 Js 43390/97-3 KLs jug) |
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.
Gründe
Der Beschwerdeführer wurde am 08.11.1999 vom Landgericht Mühlhausen wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in sieben Fällen - jeweils in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen - zur Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil ist nach Erlaß des angefochtenen Beschlusses rechtskräftig geworden.
Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Landgericht die Entnahme von Körperzellen und deren molekulargenetische Untersuchung zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren gemäß § 81 g StPO angeordnet.
Die dagegen gerichtete Beschwerde des Angeklagten, die nicht näher ausgeführt ist, ist zulässig, aber unbegründet.
Da der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Beschlußerlasses schwerwiegender Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung hinreichend verdächtig war, hängt die Zulässigkeit der Anordnung der beschlossenen Maßnahmen davon ab, ob Grund zu der Annahme besteht, daß gegen den Beschwerdeführer künftig erneut Strafverfahren wegen einer der in § 81 g StPO genannten Straftaten zu führen sind.
Diese Frage hat das Landgericht zu Recht bejaht, wobei der Senat die Begründung im angefochtenen Beschluß sich zu eigen macht.
Bereits die Häufung der begangenen Sexualstraftaten berechtigt zu den getroffenen Maßnahmen. Dem steht nicht entgegen, daß die Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
Dabei übersieht der Senat keineswegs, daß eine Reihe von Gerichten die Ansicht vertreten, daß bei Zubilligung von Strafaussetzung zur Bewährung, der bekanntlich eine günstige Zukunftsprognose zugrunde liegt, gerade kein Grund zu der Annahme bestehe, daß künftig erneut Strafverfahren wegen einer der in § 81 g Abs. 1 StPO genannten Straftaten zu führen sein werden, vgl. u.a. LG Gera StV 99, 589; LG Lüneburg StV 99, 421; LG Freiburg StV 1999, 531. Der Senat hat aber auch die zum Teil abweichenden Entscheidungen LG Duisburg StraFo 1999, 202; LG Göttingen Nds. Rpfl. 1999, 293 und LG Göttingen Nds. Rpfl. 1999, 295 zur Kenntnis genommen.
Die in § 81 g Abs. 1 StPO geforderte Negativprognose (Wiederholungsgefahr) muß nicht in Widerspruch zur günstigen Sozialprognose des § 56 Abs. 1 und 2 StGB stehen, denn, wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, sind die jeweiligen Beurteilungskriterien verschieden, ohne sich jedoch auszuschließen: nach § 56 Abs. 1 StGB muß und nach § 56 Abs. 2 StGB kann die Vollstreckung einer bestimmten Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen läßt und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei ist für die Bejahung einer günstigen Sozialprognose im Sinne des § 56 StGB ausreichend, daß die Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens größer ist als diejenige neuer Straftaten, vgl. BGH NStZ 1997, 594. Die günstige Sozialprognose wird somit nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Begehung einer neuen Straftat als durchaus reale Möglichkeit gesehen wird.
Ein ganz anderer Prüfungsumfang liegt § 81 g StPO zugrunde, wenn die Frage der Wiederholungsgefahr (Negativprognose) zu beantworten ist.
Bereits der Wortlaut des § 81 g Abs. 1 StPO "... wenn Grund zu der Annahme besteht ...." deutet darauf hin, daß nur geringe Anforderungen an die Begründung dieser Gefahr zu stellen sind, die auch nicht deshalb strenger bewertet werden dürfen, weil eine Maßnahme nach § 81 g StPO das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung beeinträchtigt. Hier ist mitzuerwägen, daß die Eingriffsmaßnahme selbst unbedeutend ist, daß nur bei Vorliegen bestimmter schwerer Straftaten der Eingriff gestattet ist, und daß der Gesetzgeber strenge Vorkehrungen getroffen hat, um Mißbrauch mit den entnommenen Körperzellen, dem DNA-Identifizierungsmuster und überhaupt dem Ergebnis der molekulargenetischen Untersuchung zu verhindern. Andererseits ist die DNA-Analyse eine vorzügliche Erkenntnisquelle zur Aufklärung gewichtiger Straftaten, wobei der Senat in Wiederholung seiner im Beschluß vom 08.09.1999 (NStZ 1999, 634) geäußerten Ansicht betont, daß auch die nachhaltige Bekämpfung der Kriminalität zu den wichtigen Aufgaben des Staates zählt. Das Gesetz selbst weist in § 81 g Abs. 1 StPO darauf hin, welche Gesichtspunkte zu prüfen sind, wenn es um die Beantwortung der Frage geht, ob Grund zu der Annahme besteht, daß gegen einen Beschuldigten künftig ein neues Strafverfahren wegen einer in § 81 g Abs. 1 StPO genannten Straftat zu führen sein wird; dabei kann der eine oder andere Gesichtspunkt übergewichtig werden, da ihm aus kriminalistischer Erfahrung besondere Bedeutung zukommt, insbesondere nämlich bei wiederholter Tatbegehung. Da aber andererseits die Maßnahmen nach § 81 g StPO nicht nur im Ermittlungsverfahren, sondern...