Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten-Strafsachen. Rehabilitierungsverfahren. Vorverfahrensgebühr. Rechtsanwaltsgebühr. RVG
Leitsatz (amtlich)
Eine Gebühr des Rechtsanwalts für das vorbereitende Verfahren entsteht im strafrechtlichen Rehabilitierungsverfahren nicht, weil es hier ein "vorbereitendes Verfahren" nicht gibt. Die Stellung des Antrags auf Rehabilitierung und die Vorbereitung eines solchen Antrags werden von der Gebühr nach Nr. 4112 VV RVG mit abgegolten.
Normenkette
RVG-VV Nrn. 4112, 4104
Verfahrensgang
LG Meiningen (Entscheidung vom 19.09.2011; Aktenzeichen Reha 99/10) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.
Gründe
I. Rechtsanwalt Russ vertrat den Betroffenen im strafrechtlichen Rehabilitierungsverfahren vor dem Landgericht Meiningen. Unter dem 28.10.2010 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte für den Betroffenen die Rehabilitierung hinsichtlich der Verurteilungen durch das Kreisgericht Sonneberg vom 7.9.1983 (Az. S 124/83) und das Bezirksgericht Suhl in Meiningen vom 8.4.1982 (Az: BSK 1/82). Dies geschah unter Beifügung der maßgeblichen Urteile, welche der Verfahrensbevollmächtigte vom Thüringer Staatsarchiv über das Thüringer Landesverwaltungsamt erhalten hatte. Nach Beiziehung von weiteren Unterlagen zur Haftzeit und einer Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Meiningen wurde der Betroffene hinsichtlich der Verurteilung durch das Bezirksgericht Meiningen vom 8.4.1982 vollständig und hinsichtlich der Verurteilung durch das Kreisgericht Sonneberg vom 7.9.1983 teilweise rehabilitiert.
Mit Schriftsatz vom 30.8.2011 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte die Erstattung notweniger Auslagen in Höhe von 702,10 €. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 570 € (Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG von 200 €, Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV RVG von 170 € und Verfahrensgebühr nach Nr. 4106 VV RVG von 200 €), der Pauschale für Post und Telekommunikationsentgelte nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20 € sowie aus der insgesamt zu berücksichtigenden Mehrwertsteuer von in Höhe von 112,10 €.
Durch Beschluss vom 19.9.2011 setzte die Kostenbeamtin des Landgerichts Meiningen die dem Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen zustehenden Gebühren auf 305 € (netto) fest. Dabei legte sie ausschließlich die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG sowie die Verfahrensgebühr nach Nr. 4106 VV RVG zugrunde und bemaß diese jeweils in Höhe der Mittelgebühr. Weiter wurde die Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG antragsgemäß festgesetzt. Auf den sich daraus ergebenden Gesamtbetrag von 325 € wurde die Mehrwertsteuer von 61,75 € zugeschlagen, so dass sich insgesamt ein festgesetzter Betrag von 386,75 € ergab.
Gegen diesen am 21.9.2011 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss hat der Betroffene durch seinen Verfahrensbevollmächtigten am 22.9.2011 "Erinnerung" eingelegt. Er wendet sich dagegen, dass eine Verfahrensgebühr für das Vorverfahren nach Nr. 4104 VV RVG in der beantragten Höhe von 170 € (netto) nicht festgesetzt worden ist.
Das Landgericht Meiningen hat die Sache dem Senat für Rehabilitierungssachen des Thüringer Oberlandesgerichts vorgelegt.
II. Die "Erinnerung" des Betroffenen ist gem. § 11 Abs. 1 und 2 Satz 4 RPflG i.V.m. §§ 464b StPO, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO als sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung der Kostenbeamtin anzusehen.
Das Rechtsmittel ist zulässig, denn es ist innerhalb einer Woche nach Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses eingelegt worden.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200 € (170 € + 19% Mwst.).
Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet.
Eine Gebühr für das vorbereitende Verfahren ist nicht entstanden.
Gemäß der Vorbemerkung 4 Abs. 1 VV RVG sind die Vorschriften des 4. Teils des VV RVG in Rehabilitierungsverfahren entsprechend anzuwenden. Der Verfahrensbevollmächtigte macht insoweit geltend, dass sich aus Absatz 2 der Vorbemerkung 4, wonach für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information eine Verfahrensgebühr entstehe, ergebe, dass die Tätigkeit in Vorbereitung der Stellung des Rehabilitierungsantrages eine Gebühr nach Nr. 4104 VV RVG entstehen lasse.
Dieser Argumentation folgt der Senat in Übereinstimmung mit dem Antrag des Vertreters der Staatskasse nicht.
Zunächst ist davon auszugehen, dass in Absatz 2 der Vorbemerkung 4 nur allgemein Voraussetzungen zur Entstehung einer Verfahrensgebühr nach Teil 4 VV RVG genannt werden, sich aber daraus kein spezieller Gebührenanspruch ableiten lässt. Die - hier vom Betroffenen geltend gemachte - Gebühr nach Nr. 4104 VV RVG entsteht für die Tätigkeit des Rechtsanwalts im "vorbereitenden Verfahren". Vorbereitendes Verfahren in diesem Sinne ist das dem strafrechtlichen Hauptverfahren vorhergehende und vorbereitende Ermittlungsverfahren. In der Erläuterung zu Nr. 4104 VV RVG heißt es dazu:
"Die Gebühr entsteht für eine Tätigkeit, in dem Verfahren bis zum Eingang der Anklageschrift, des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls bei Gericht oder im beschleunigten Verfahren bis ...