Entscheidungsstichwort (Thema)
Entstehen der Vergleichsgebühr nach Nr. 1003 VVRVG
Leitsatz (redaktionell)
Der dem Nebenkläger bestellte Vertreter kann aus der Staatskasse Gebühren nach Nr. 4143 VVRVG nur dann beanspruchen, wenn dem Nebenkläger (auch) in Bezug auf die in Nr. 4143 VVRVG genannte Tätigkeit (hier: Abschluss eines Vergleiches) Prozesskostenhilfe bewilligt wurde.
Das Entstehen der Gebühr nach Nr. 4143 VVRVG hängt nicht von einem förmlichen Antrag nach § 404 Abs. 1 StPO ab. Entsprechend der Vorbemerkung 4 im Vergütungsverzeichnis entsteht die Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VVRVG mit der ersten Tätigkeit des Rechtsanwalts, sofern dieser beauftragt ist, im Strafverfahren hinsichtlich des vermögensrechtlichen Anspruchs tätig zu werden.
Normenkette
StPO § 404 Abs. 1; RVG VV Nr. 1000
Verfahrensgang
LG Erfurt (Entscheidung vom 28.07.2009; Aktenzeichen 130 Js 2519/08 - 6 KLs jug.) |
Tenor
1.
Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Erfurt vom 27.04.2009 in Verbindung mit dem Beschluss des Landgerichts Erfurt vom 28.07.2009 wird dahin abgeändert, dass die aus der Landeskasse zu erstattenden Auslagen auf 976,99 EUR festgesetzt werden.
2.
Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
3.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Im Strafverfahren gegen S H wurde der Geschädigte C R im Hauptverhandlungstermin vor der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Erfurt am 12.01.2009 als Nebenkläger zugelassen. Zur unentgeltlichen Wahrnehmung seiner Interessen wurde dem Geschädigten Rechtsanwältin B als Opferanwältin beigeordnet (§ 397a Abs. 1 i.V.m. § 395 Abs. 1 Nr. 1a StPO). In ihrem Schlussvortrag beantragte die Nebenklägervertreterin u.a., diesem "Prozesskostenhilfe bezüglich des Abschlusses des Vergleichs zu bewilligen unter gleichzeitiger Beiordnung".
Nach Verkündung des Urteils an diesem Tage erging in der Hauptverhandlung folgender Beschluss:
"Dem Nebenkläger wird bezüglich des Abschlusses des Prozessvergleiches Prozesskostenhilfe unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwältin B bewilligt."
Im Anschluss schlossen der Nebenkläger und der Angeklagte zu Protokoll der Hauptverhandlung einen Vergleich über die Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 EUR.
Mit Schriftsatz vom 13.01.2009 beantragte Rechtsanwältin B für ihre Tätigkeit als Vertreterin des Nebenklägers die Festsetzung ihrer Vergütung in Höhe von insgesamt 1.039,47 EUR, wobei sich dieser Betrag aus einer Grundgebühr nach Nr. 4100 VVRVG (132,00 EUR), einer Verfahrensgebühr nach Nr. 4112 VVRVG (124,00 EUR), einer Terminsgebühr nach Nr. 4114 VVRVG (216,00 EUR), einer Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VVRVG (210,00 EUR), einer Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VVRVG (1,5-facher Satz - 157,50 EUR), einer pauschale für Post- und Telekommunikation nach Nr. 7002 VVRVG (20,00 EUR) und einer Dokumentenpauschale nach Nr. 7001 VVRVG (14,00 EUR) sowie der auf diese Beträge entfallenden Umsatzsteuer von 19% nach Nr. 7008 VVRVG (165,97 EUR) zusammensetzt.
Mit Beschluss vom 13.02.2009 setzte die Urkundsbeamte beim Landgericht Gera die aus der Staatskasse an Rechtsanwältin B zu zahlende Vergütung auf 976,99 EUR fest, wobei sie statt der beantragten 1,5-fachen Gebühr nach Nr. 1000 VVRVG nur die einfache Vergleichsgebühr in Höhe von 105,00 EUR nebst Mehrwertsteuer festsetzte.
Mit Schriftsatz vom 05.03.2009, der am selben Tage beim Landgericht Erfurt einging, hat Rechtsanwältin B nach Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses am 20.02.2009 - als Rechtsmittel, hilfsweise Gegendarstellung bezeichnet - Erinnerung gegen diese Festsetzung eingelegt.
Diese wurde der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Erfurt am 25.03.2009 vorgelegt, die ihrerseits beantragte, der Erinnerung von Rechtsanwältin B abzuhelfen, aber andererseits selbst Erinnerung einlegte mit dem Ziel, die Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VVRVG in Wegfall zu bringen.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin vom 27.04.2009 wurde die Vergütung der Nebenklägervertreterin entsprechend dem Vorschlag der Bezirksrevisorin festgesetzt: Erhöhung der Einigungsgebühr auf den 1,5-fachen Satz und Wegfall der Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VVRVG.
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27.04.2009 legte die Nebenklägervertreterin nach Zustellung am 15.05.2009 unter dem 28.05.2009 erneut Erinnerung ein, welche die 6. große Strafkammer des Landgerichts Erfurt mit Beschluss vom 28.07.2009 als unbegründet zurückwies.
Gegen diesen ihr am 13.08.2009 zugestellten Beschluss hat Rechtsanwältin B mit Schriftsatz vom 17.08.2009, eingegangen beim Landgericht Erfurt am 18.08.2009, sofortige Beschwerde eingelegt.
II.
1.
Nachdem das Verfahren vor dem Landgericht der Kammer übertragenen war, entscheidet auch der Senat in der Besetzung mit 3 Richtern (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 RVG).
2.
Gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 1 und 3 RVG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache einen überwiegenden Erfolg.
Der Nebenklägervertreterin steht für ih...