Leitsatz (amtlich)
Soweit der Gegenstandswert einer Ehesache gem. § 43 Abs. 1 S. 1 FamGKG durch die Vermögensverhältnisse der Ehegatten bestimmt wird, ist das beiderseitige - mit einem Bruchteil von 5% zu veranschlagende - Gesamtvermögen maßgebend, ohne dass hiervon (fiktive) Freibeträge in Abzug zu bringen sind.
Verfahrensgang
AG Stadtroda (Beschluss vom 12.07.2017; Aktenzeichen 2 F 168/17) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - S... vom 12.07.2017 (Az. 2 F 168/17), in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 25.08.2017, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Gegenstandswert für den ersten Rechtszug auf 72.800,- EUR festgesetzt wird.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 12.07.2017 hatte das Familiengericht den Gegenstandswert des gesamten Verbundverfahrens (Ehesache, Kindschaftssache und Versorgungsausgleichssache) zunächst auf 772.800,- EUR festgesetzt, wobei die Ehesache mit einem Teilstreitwert von (28.800 EUR + 740.000 EUR =) 768.800,- EUR berücksichtigt worden war. Insoweit hatte das Amtsgericht das gemeinsame (dreifache) Monatseinkommen der Ehegatten im Sinne des § 43 Abs. 2 FamGKG auf 28.800,- EUR und deren Vermögensverhältnisse im Sinne des § 43 Abs. 1 S. 1 FamGKG mit 740.000,- EUR veranschlagt. Dem lag zugrunde, dass die Ehegatten selbst ihr (Kapital)Vermögen mit jeweils 400.000 EUR, insgesamt also mit 800.000 EUR beziffert haben.
Mit der gegen diese Verfahrenswertbemessung eingelegten Beschwerde verfolgt die Antragstellerin das Ziel, den vermögensbezogenen Teilstreitwert von 740.000,- EUR auf einen Betrag von 31.000,- EUR zu ermäßigen; insbesondere habe das Amtsgericht verkannt, dass das ermittelte (Gesamt)Vermögen der Ehegatten nach der überwiegenden Rechtsprechung nur mit einem Bruchteil von 5 % in den Verfahrenswert der Ehesache einfließe. Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf die Beschwerdeschrift vom 24.07.2017 Bezug genommen.
Das Familiengericht hat daraufhin mit Beschluss vom 25.08.2017 der Beschwerde teilweise abgeholfen und den Verfahrenswert insgesamt auf 69.800,- EUR reduziert, wobei es das Vermögen der Ehegatten mit einem Teilwert von 37.000,- EUR in Ansatz gebracht hat.
II. Die gegen die Wertfestsetzung gerichtete Beschwerde ist statthaft gem. § 59 Abs. 1 S. 1 FamGKG und auch sonst zulässig, bleibt in der Sache aber - nach bereits erfolgter Teilabhilfe seitens des Familiengerichts - ohne Erfolg.
a) In Ehesachen ist der Verfahrenswert gem. § 43 Abs. 1 S. 1 FamGKG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten, nach Ermessen zu bestimmen.
b) In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (vgl. die Darstellung des Streitstands bei Thiel in: Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 14. Aufl., Rn. 7223a) ist seit langem umstritten, ob und in welcher Höhe vom ermittelten Gesamtvermögen persönliche Freibeträge für die Ehegatten, teilweise auch für deren Kinder in Abzug zu bringen sind, wobei die Freibeträge teils mit 15.000 EUR (OLG Karlsruhe, AGS 2013, 472), 20.000 EUR (OLG Zweibrücken, FamRZ 2008, 2052), 30.000 EUR (OLG Celle, FamRZ 2013, 149; OLG Schleswig, NZFam 2014, 801, KG, AGS 2015, 132; OLG Dresden, FamRZ 2006, 1053), 35.000 EUR (OLG Köln, FamRZ 1997, 37) oder 60.000 EUR (OLG Bamberg, FamRZ 2017, 1082; OLG Stuttgart, AGS 2015, 133; OLG München OLGR 1998, 169) veranschlagt werden. Meist wird dabei als Berechnungsfaktor der ehemalige Freibetrag in § 6 VStG (a.F.) bei der Besteuerung nach dem (vom Bundesverfassungsgericht bereits im Jahre 1995 für verfassungswidrig erklärten) Vermögenssteuergesetz herangezogen.
c) Der Senat folgt der abweichenden Auffassung des OLG Brandenburg (Beschl. vom 11.02.2016 - Az. 10 WF 71/15 [juris]; ebenso schon OLG Saarbrücken, Beschl. vom 11.01.1982 - Az. 6 WF 108/81 = JurBüro 1982, 421, 422) und des OLG Köln (Beschl. vom 10.11.2015 - Az. 4 WF 161/15 [juris]), wonach es für die Heranziehung fiktiver Freibeträge keinen aus dem Gesetz ableitbaren Anknüpfungspunkt gibt, nachdem das Vermögenssteuergesetz aufgehoben worden ist und die Höhe eines solchen Freibetrages - wie auch die beträchtliche Divergenz der Judikate zeigt - mehr oder weniger willkürlich gewählt werden müsste.
Hierfür spricht auch ein Blick auf Sinn und Zweck der Regelung. Wenn das Gesetz bei der Wertfestsetzung einer Ehesache ausdrücklich (auch) die Vermögensverhältnisse der Ehegatten für maßgeblich erklärt, liegt dem offenbar die Vorstellung zugrunde, dass eine Scheidung in weitestem Sinne Auswirkungen auf die Erwirtschaftung und Verwaltung des beiderseitigen Vermögens hat. Trifft das zu, so gilt dies jedoch für das Vermögen in Gänze, so dass kein Anlass für einen Abschlag individueller Vermögensbestandteile in Form von Freibeträgen gegeben ist.
Soweit im Schrifttum (vgl. Schneider/Herget/Thiel, Streitwertkommentar a.a.O. Rn. 7222) die Meinung vertreten wird, dem stehe der Wortlaut des § 43 Abs. 1 S. 1 FamGKG entgege...