Entscheidungsstichwort (Thema)

Betreuervergütung. Schuldner. Staatskasse. Festsetzung von Aufwandsentschädigung des Betreuers gegen die Staatskasse

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Frage der Mittellosigkeit des Betreuten und der Haftung der Staatskasse für die dem Betreuer zustehende Aufwandsentschädigung kommt es bei Vorversterben des Betreuten weiterhin auf die Verhältnisse zur Zeit der letzten Tatsachenentscheidung unter Berücksichtigung derjenigen zum Zeitpunkt des Todes an (vgl. § 1836 e Abs. 1 S. 3 BGB).

2. Bereits zur Bestimmung einer Haftung der Staatskasse für die Betreuervergütung/-aufwandsentschädigung ist die Frage der Mittellosigkeit des Nachlasses entspr. § 1836 e Abs. 1 S. 3 BGB nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen zu beantworten.

3. Eine Betreuervergütung/-aufwandsentschädigung kann entspr. § 56 g Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. FGG auch gegen Erben festgesetzt werden, jedoch erst nach Gewährung rechtlichen Gehörs. Eine Festsetzung unterbleibt, wenn der Betreuer den Betreuten allein beerbt hat.

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Frage der Haftung der Staatskasse für die dem Betreuer zustehende Aufwandsentschädigung bei Mittellosigkeit des Betreuers.

 

Normenkette

FGG § 56g; BGB §§ 1835a, 1836e, 1908i, 1835 a, 1908 i

 

Verfahrensgang

LG Mühlhausen (Beschluss vom 22.05.2000; Aktenzeichen 1 T 24/00)

 

Tenor

1. Der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mühlhausen vom 22.05.2000 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

2. Der Beschwerdewert wird auf 537,50 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin war Betreuerin für ihre am 01.08.1999 verstorbene Mutter. Mit Beschluss vom 17.08.1999 hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts eine pauschale Aufwandsentschädigung nach § 1835 a BGB in Höhe von 537,30 DM für den Zeitraum vom 01.07.1998 bis 31.07.1999 bewilligt und angeordnet, dass dieser Betrag aus dem Nachlass aufzubringen sei. Hiergegen hat die Antragstellerin am 01.12.1999 Widerspruch mit der Begründung eingelegt, es sei Aufwandsentschädigung aus der Staatskasse zu bewilligen. Sie hat geltend gemacht, allein die Beerdigungskosten würden den Nachlass, der am 15.09.1999 einen Wert von 4.194,53 DM aufgewiesen habe, aufzehren. Die Höhe der Beerdigungskosten hat sie im Einzelnen dargelegt.

Nach Nichtabhilfe durch die Rechtspflegerin hat das Landgericht die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, für die Beurteilung der Mittellosigkeit komme es, wenn der Betreute verstorben sei, auf den Todeszeitpunkt an. Zu diesem Zeitpunkt sei ein die Aufwandsentschädigung deckender Nachlass vorhanden gewesen. Die Beerdigungskosten könnten als Nachlassverbindlichkeiten nicht berücksichtigt werden, weil sie sogenannte Erbfallschulden darstellten, die erst aus Anlass des Todes entstanden seien. Demgegenüber handele es sich bei den Betreuungskosten um sogenannte Erblasserschulden. Wegen der Einzelheiten der Begründung nimmt der Senat Bezug auf die angefochtene Entscheidung des Landgerichts.

Das Landgericht hat die weitere Beschwerde ausdrücklich zugelassen. Seine Entscheidung hat es den Beteiligten nicht zugestellt und sie mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, wonach die weitere Beschwerde zulässig sei.

Hiergegen hat die Antragstellerin zu Protokoll der Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts Bad Langensalza am 12.07.2000 weitere Beschwerde eingelegt.

Der Bezirksrevisor hat Stellung genommen und verteidigt die angefochtene Entscheidung des Landgerichts. Auf die Einzelheiten seines Vorbringens nimmt der Senat Bezug.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und hat auch in der Sache vorläufigen Erfolg.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 56 g Abs. 5 S. 2, 27, 29 Abs. 1 und 2 FGG an sich statthaft und auch sonst zulässig. Das Landgericht hat die sofortige weitere Beschwerde entsprechend § 56 g Abs. 5 S. 2 FGG wegen grundsätzlicher Bedeutung ausdrücklich zugelassen. Die zweiwöchige Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde (§§ 29 Abs. 2 und 4, 22 Abs. 1 S. 2 FGG) hatte noch nicht begonnen, weil das Landgericht seine Entscheidung entgegen § 16 Abs. 2 S. 1 FGG den Beteiligten nicht förmlich zugestellt hat. Der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass auch die Rechtsmittelbelehrung des Landgerichts, nach der (einfache) weitere Beschwerde zulässig sei, unzutreffend ist.

2. In der Sache führt die sofortige weitere Beschwerde zur Aufhebung und Zurückverweisung, weil die angefochtene Entscheidung des Landgerichts auf Gesetzesverletzungen beruht, §§ 27 FGG, 550 ZPO.

a) Zu Recht hat das Landgericht die Erstbeschwerde der Antragstellerin als zulässig angesehen. Durch die Entscheidung der Rechtspflegerin ist die Antragstellerin beschwert, obwohl ihr Aufwandsentschädigung bewilligt wurde. Indem die Rechtspflegerin ausgeführt hat, die Aufwandsentschädigung sei dem Nachlass zu entnehmen, hat sie – inzident – zugleich eine Festsetzung gegen die Staatskasse abgel...

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