Leitsatz (amtlich)

Das Verfahrensgrundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG auf rechtliches Gehör vor Gericht gebietet nicht, über ein Rechtsmittel stets erst nach Ablauf einer für die Einlegung des Rechtsmittels bestimmten gesetzlichen Frist zu entscheiden. Das gilt erst recht dann, wenn - wie hier - ein Rechtsmittel nicht statthaft ist und deshalb keine Rechtsmittelfrist läuft.

Bestimmt weder das Gesetz noch das Gericht eine Frist zur Begründung der Beschwerde, besteht für das Beschwerdegericht prinzipiell keine Notwendigkeit und auch keine Rechtfertigung, bei Entscheidungsreife mit der Entscheidung zuzuwarten.

Anders liegt es dann, wenn das Beschwerdegericht seiner Entscheidung Tatsachen oder Beweismittel zugrunde legen möchte, zu denen sich der Beschwerdeführer noch nicht äußern konnte, oder wenn das Beschwerdegericht seine Entscheidung auf rechtliche Erwägungen stützen will, mit denen der Beschwerdeführer nicht zu rechnen braucht und die ihn deshalb überraschen könnten.

Behält sich der Beschwerdeführer eine (weitere) Begründung seines Rechtsmittels vor, so steht auch dies im Regelfall einer sofortigen Entscheidung über die Beschwerde entgegen. Das Gericht hat dann entweder von sich aus eine Frist zur Begründung zu bestimmen oder mit der Entscheidung eine angemessene Zeit zuzuwarten.

Wie lang die Frist bzw. der Zeitraum des Abwartens unter Berücksichtigung von Art. 103 Abs. 1 GG zu sein hat, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dazu gehören die Gründe, die den Beschwerdeführer an einer alsbaldigen Begründung seines Rechtsmittels hindern (z.B. die Notwendigkeit der Akteneinsicht, der Einholung weiterer Informationen, der Rücksprache mit dem Mandanten bzw. dem Verteidiger, der Umfang des Beschwerdegegenstandes, die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage), aber auch die berechtigten Interessen anderer Verfahrensbeteiligter, das Beschleunigungsgebot, sonstige Folgen des (weiteren) Zuwartens mit der Entscheidung und die Erfolgsaussicht der Beschwerde.

Es ist nicht Sinn des Verfahrensgrundrechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs, eine gerichtliche Entscheidung über ein zweifelsfrei völlig aussichtsloses Rechtsmittel hinauszuzögern, zumal dann, wenn damit empfindliche Beeinträchtigungen anderer wichtiger verfassungsrechtlich geschützter Güter einhergehen würden.

 

Verfahrensgang

LG Gera (Entscheidung vom 13.12.2007; Aktenzeichen 110 Js 1215/07 - 1 Ks (3)/16)

 

Tenor

Der Antrag auf Nachholung des rechtlichen Gehörs wird verworfen.

 

Gründe

I.

Vor der 1. Strafkammer des Landgerichts Gera - Schwurgericht - findet derzeit die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten D wegen versuchten Mordes statt.

Im Termin vom 23.11.2007 erklärte der Angeklagte durch seinen Verteidiger, die an der Verhandlung mitwirkenden Richter VRLG Maul, RLG Tondorf, RinLG Hollandmoritz sowie die Schöffen Müller und Plewka wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.

Nach der Mitteilung der für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch berufenen Richter, RLG Fischer, RinLG Schade und RinLG Blass, erklärte der Angeklagte durch seinen Verteidiger am 3.12.2007 auch die Ablehnung der Richter RLG Fischer und RinLG Schade.

Am 7.12.2007 wies die Kammer in der Besetzung RinLG Blass, RinLG Diedrich und RinLG Wulf das Ablehnungsgesuch vom 3.12.2007 als unbegründet zurück; dem Beschluss war eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt, derzufolge das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben sei.

Gegen diesen Beschluss legte der Angeklagte durch seinen Verteidiger am 12.12.2007 sofortige Beschwerde ein.

Ebenfalls unter dem 12.12.2007 verwarf die Kammer in der Besetzung RLG Fischer, RinLG Blass und RinLG Schade das Ablehnungsgesuch vom 23.11.2007 als unbegründet. Dieser Beschluss wurde in der Hauptverhandlung vom 13.12.2007 verkündet.

Nachdem der Verteidiger im Anschluss auf Befragen erklärte, dass er die sofortige Beschwerde aufrecht erhalte, wurde die Verhandlung bis zum Nachmittag unterbrochen und die Akten wurden dem Thüringer Oberlandesgericht zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde vorgelegt.

Mit Beschluss vom 13.12.2007 verwarf der Senat die sofortige Beschwerde als unzulässig.

II.

Der Antrag auf Nachholung des rechtlichen Gehör ist gem. § 33a StPO statthaft. Er ist jedoch unzulässig, denn er ist nicht ordnungsgemäß begründet worden.

Ein Antrag auf Nachholung des rechtlichen Gehörs gem. § 33a StPO muss die Voraussetzungen dieser Gesetzesbestimmung dartun, d.h. schlüssig vortragen, dass das Gericht in einem Beschluss den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat und der Antragsteller hierdurch noch beschwert ist (siehe nur Senatsbeschluss vom 23.11.2005, 1 Ws 431/05, bei [...]; OLG Koblenz, Beschluss vom 18.12.2006, 1 Ws 406/05, bei [...]; KK-Maul, StPO 5. Aufl., § 33a Rn. 8; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 33a, Rn. 7).

Zur Verletzung des Anspruchs des Angeklagten auf rechtliches Gehör trägt der Angeklagte im Schriftsatz vom 18.12.2007 vor:

"Zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung war die Frist zur Einlegung der s...

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