Leitsatz (amtlich)
Dem Rechtsanwalt steht auch nach In-Kraft-Treten des 1. Justizmodernisierungsgesetzes am 1.9.2004 in entsprechender Anwendung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV die Terminsgebühr zu, wenn im schriftlichen Vorverfahren auf der Grundlage des § 307 S. 2 ZPO (n.F.) ohne mündliche Verhandlung entschieden wird.
Normenkette
RVG-VV Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Erfurt (Beschluss vom 09.03.2005; Aktenzeichen 9 O 2356/04) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 679,99 EUR festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist statthaft, insb. form- und fristgerecht erhoben, und auch sonst zulässig, §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 1, Abs. 2, 569 ZPO. In der Sache hat sie keinen Erfolg. Die Rechtspflegerin hat zurecht die von der Klägerin zur Kostenfestsetzung angemeldete Terminsgebühr für erstattungsfähig angesehen.
1. Die Zivilkammer hat auf die Klage vom 18.11.2004 den Beklagten nach dessen Anerkenntnis im schriftlichen Vorverfahren durch Anerkenntnisurteil vom 29.12.2004 antragsgemäß in der Sache und in die Kosten verurteilt. Mit dem im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren eingelegten Rechtsmittel wendet sich der Beklagte gegen die Erstattung einer 1,2-Terminsgebühr. Die insoweit einschlägige Vorschrift der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV sei schon vor Klageerhebung ihrer Bezugsnorm verlustig gegangen, nachdem die darin genannte Bestimmung des § 307 Abs. 2 ZPO a.F. durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz mit Wirkung vom 1.9.2004 aufgehoben worden sei. Der Gesetzgeber habe mit dieser Novelle insb. den Zweck einer nachhaltigen Verfahrensbeschleunigung und -erleichterung verfolgt, der u.a. in einer Kostenminderung für die anerkennende Partei seinen Niederschlag fände. Jedenfalls sei eine erweiternde Auslegung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV in der geltenden Fassung gesetzeswidrig; die Berichtigung eines etwaigen Redaktionsversehens bleibe allein dem Gesetzgeber vorbehalten.
Die Klägerin verteidigt den angefochtenen Beschluss mit dem Hinweis auf ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers bei der Neugestaltung des § 307 S. 2 ZPO n.F., das keine Änderung in der Sache rechtfertige.
2. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Den Prozessbevollmächtigten der Klägerin steht in entsprechender Anwendung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV eine Terminsgebühr zu, die vom Beklagten gem. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO zu erstatten ist.
a) Zwar ist es zutreffend, dass durch die im Rahmen des 1. Justizmodernisierungsgesetzes erfolgte Änderung des § 307 ZPO - Streichung des Abs. 2, Einfügung eines S. 2 in Abs. 1 - und das Versäumnis einer gleichzeitigen Anpassung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV nach dem strengen Wortlaut des Gesetzes eine Regelungslücke entstanden ist. Denn die prozessuale Konstellation eines Anerkenntnisurteils im schriftlichen Vorverfahren, die bislang aufgrund der ausdrücklichen Verweisung auf § 307 Abs. 2 ZPO a.F. eine Terminsgebühr entstehen ließ, ist nunmehr an anderer Stelle in § 307 S. 2 ZPO n.F. geregelt und wird daher von der Verweisung formal nicht mehr erfasst.
b) Gleichwohl stellt auch weiterhin die Zuerkennung einer Terminsgebühr in der genannten Konstellation entgegen der Auffassung des Beklagten keine Umgehung des Gesetzes, sondern vielmehr die zulässige und gebotene Schließung einer Gesetzeslücke im Wege der Analogie dar, wie sie sowohl für das materielle Recht als auch für das Verfahrensrecht grundsätzlich statthaft ist (vgl. BGHZ 46, 195 [198] = MDR 1967, 210; BGH v. 10.5.1994 - X ZB 7/93, MDR 1994, 1239 = NJW-RR 1994, 1406 [1407]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., Einl. Rz. 97, m.N.). Soweit im Schrifttum für den Bereich des Justizkostenrechts ein Analogieverbot befürwortet wird (vgl. Lappe, Rpfleger 1984, 337), ist nur das Verhältnis zwischen Bürger und Staatskasse, nicht aber das der Verfahrensbeteiligten untereinander angesprochen.
Die Voraussetzungen einer entsprechenden Anwendung des Gesetzes sind erfüllt.
Der Regelung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV liegt - ebenso wie bereits dem früheren § 35 BRAGO - der Gedanke zugrunde, dass der Rechtsanwalt zum Ausgleich dafür, dass ihn in den Fällen eines anstelle einer vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung durchgeführten schriftlichen Verfahrens eine erhöhte Verantwortung und noch genauere Prüfungspflicht trifft, eine Termins- bzw. Verhandlungsgebühr erhält, so als ob verhandelt worden wäre (vgl. Gerold/Schmidt/v. Eicken, RVG-VV, 16. Aufl., Nr. 3104 Rz. 14). Der Rechtsanwalt soll insb. keine Nachteile erleiden, wenn seine Schriftsätze das Verfahren so gründlich vorbereitet haben, dass eine mündliche Verhandlung nicht mehr statt zu finden braucht (vgl. BGH v. 24.7.2003 - V ZB 12/03, BGHReport 2003, 1311 = MDR 2003, 1317 = NJW 2003, 3133). Nichts spricht dafür, dass der mit der bisherigen Zubilligung einer fiktiven Terminsgebühr intendierte Zweck ggü. den mit dem 1. Justizmodernisierungsg...