Leitsatz (amtlich)
Die Frist nach § 91 Abs. 3 BRAO gilt auch für die Anfechtung von Beschlüssen der Rechtsanwaltskammer durch solche Mitglieder, die erst nach der Beschlussfassung zur Anwaltschaft zugelassen wurden. Solchen Mitgliedern steht der Weg einer Inzidentprüfung nach § 223 Abs. 1 BRAO offen.
Tenor
Der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Beitragsordnung der Rechtsanwaltskammer Thüringen v. 7.6.2000 wird als unzulässig verworfen.
Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten des Verfahrens vor dem Thüringer Anwaltsgerichtshof einschließlich der Kosten, die durch die Anrufung des unzuständigen OVG Weimar entstanden sind zu tragen und der Antragsgegnerin deren notwendige außergerichtliche Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Die sofortige Beschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Antragstellerin macht die Nichtigkeit der von der Rechtsanwaltskammer Thüringen am 7.6.2000 beschlossenen Beitragsordnung geltend. Ihr Normenkontrollantrag war von der Antragstellerin zunächst am 30.5.2002 beim OVG Weimar anhängig gemacht worden. Das OVG hat mit Beschl. v. 25.11.2002 den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und die Sache an den Thüringer Anwaltsgerichtshof verwiesen.
Die Antragstellerin rügt die Zuständigkeit des Thüringer Anwaltsgerichtshofs. Sie hält die Beitragsordnung für zu unbestimmt. Außerdem sei durch sie der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt.
Die Antragstellerin beantragt, die Beitragsordnung der Rechtsanwaltskammer Thüringen v. 7.6.2000 einschließlich der von der Rechtsanwaltskammer dazu verwendeten "Anlage zur Beitragsordnung" ohne Datum für nichtig zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
II. Der Antrag v. 28.5.2002 auf Feststellung der Nichtigkeit der Beitragsordnung der Rechtsanwaltskammer Thüringen v. 7.6.2000 war als unzulässig zu verwerfen.
1. Der Thüringer Anwaltsgerichtshof ist allerdings für dieses Verfahren zuständig. Dies entspricht nicht nur der Regelung in § 90 Abs. 1 BRAO, sondern folgt auch aus § 17a Abs. 2 S. 3 GVG. Die vom OVG Weimar ausgesprochene Verweisung ist bindend. Das OVG hat eine Beschwerde gegen seine Entscheidung nicht zugelassen, der Beschluss über die Rechtswegbestimmung nach § 17a GVG ist also unanfechtbar. Die Verweisung erfolgte auch nicht willkürlich. Aus diesen Gründen kommt es entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht in Betracht, dass der Anwaltsgerichtshof die Sache dem BGH oder dem BVerwG vorlegt. Daher steht bindend fest, dass der Rechtsweg allein zum Anwaltsgerichtshof eröffnet ist (BGH v. 29.7.1991 - NotZ 25/90, BGHZ 115, 275 [284] = MDR 1992, 185). Für die Rüge der Antragstellerin, ihr werde wegen der Verhandlung der Sache durch den Anwaltsgerichtshof der gesetzliche Richter vorenthalten oder es werde der Gleichheitsgrundsatz verletzt, gibt es deshalb keinerlei Anhaltspunkt.
Der Thüringer Anwaltsgerichtshof ist auch nach § 90 Abs. 1 BRAO allein zur Entscheidung befugt. Die Beitragsordnung, nämlich die Bestimmung von Höhe und Fälligkeit von Kammerbeiträgen nach § 89 Abs. 2 Ziff. 2 BRAO, ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin unzweifelhaft ein "Beschluss" i.S.v. § 90 BRAO. Denn es handelt sich um einen Beschluss, der nicht lediglich einen Einzelfall regelt, sondern eine allgemeine Wirkung ggü. den Mitgliedern der Kammer hat. Weitergehende Voraussetzungen bzw. eine Unterscheidung zum verwaltungsgerichtlichen Begriff der Satzung kennt § 90 BRAO nicht. Dies ist in Rechtsprechung und Literatur ganz einhellige Meinung (vgl. nur die Zusammenstellung bei Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 90 Rz. 7, m.N.). Die Antragstellerin kann sich auch nicht darauf berufen, sie habe nicht den "Beschluss", sondern die Beitragsordnung selbst angegriffen. Denn zwischen beiden gibt es keinen Unterschied. Die Beitragsordnung ist ein Beschluss der Kammerversammlung und wird als ein Beschluss derselben bekannt gemacht. Davon etwa den reinen Vorgang der Abstimmung bzw. der Beschlussfassung abzugrenzen, ist abwegig.
2. Der Antrag ist allerdings bereits unzulässig. § 91 Abs. 3 BRAO bestimmt, dass das grundsätzlich antragsbefugte Kammermitglied den Antrag nur innerhalb eines Monats nach der Wahl oder der Beschlussfassung stellen kann. Deshalb kam es auf die Frage, ob die Antragstellerin ihre in § 91 Abs. 3 BRAO ausdrücklich an die Mitgliedschaft geknüpfte Antragsbefugnis oder das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis dadurch verloren hat, dass sie nicht mehr Mitglied der Rechtsanwaltskammer Thüringen ist, sondern Mitglied der Rechtsanwaltskammer Sachsen geworden ist, nicht entscheidend an.
Die von der Antragstellerin angegriffene Beitragsordnung wurde in der Kammerversammlung v. 7.6.2000 beschlossen. Die Monatsfrist des § 91 Abs. 3 BRAO ist bei Einlegung des Antrages beim OVG Weimar am 30.5.2002 unzweifelhaft verstrichen gewesen.
Daran ändert auch nichts, dass die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 7.6.2000 noch kein Kammermitglied war und (deshalb) an der Kammerversammlung nicht teilgenommen hat, weil sie ers...